Kurz & knapp (2)

Meldungen: Geithainer Bürgerhaus darf nicht für Nazi-Event genutzt werden + Altermedia und “Recherche Mitte” offline + Leipziger Naziaktivist Marcel Wittig + “Flowerpower” goes “KC” + SPIEGEL über Dresdner Handydaten-Affäre + Initiative erinnert an Hoyerswerdaer Pogrome


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“Tag der Identität” in Geithain


Pech für Manuel: Neonazis um den Geithainer NPD-Stadtrat, “Freies Netz”-Anführer und Jura-Studenten Manuel Tripp dürfen ihren “Tag der Identität” am 13. August nicht im Geithainer Bürgerhaus steigen lassen. Die Stadt Geithain hatte die Nutzung des kommunalen Gebäudes untersagt. Daraufhin zog die NPD im Eilverfahren vors Leipziger Verwaltungsgericht, konnte in dieser Instanz aber nicht punkten. Die Stadt will die Nazis aus dem Bürgerhaus fernhalten, weil es sich beim “Tag der Identität” um eine “öffentliche politische Veranstaltung mit überregionalem Charakter” handle.

Die Nazis beriefen sich bei Gericht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung. Allerdings konnten sie nicht nachweisen, dass im Bürgerhaus in der Vergangenheit ähnliche Veranstaltungen anderer Parteien stattgefunden haben und das Objekt damit einer solchen Nutzung offensteht – wiederum aufgrund der “Gleichbehandlung” darf das Bürgerhaus folglich nicht für den Nazi-Event genutzt werden. Obwohl die Veranstalter damit prahlen, mehrere Ersatzorte in der Hinterhand zu haben, hat der NPD-Landesverband gegen die Entscheidung eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Bautzen eingelegt.

Beim “Tag der Identität” (Motto: “Arbeit statt Abwanderung – Heimat ist mehr als nur ein Standort”) sollen am kommenden Sonnabend ab 12 Uhr mehrere Redner und Rechtsrock-Gruppen auftreten. Offenbar wurde direkt vor dem Bürgerhaus auch eine zugehörige Kundgebung angemeldet, um die Indoor-Veranstaltung nach außen zu übertragen. Gegen den Neonazi-Event mobilisiert das Bündnis “Geithain nazifrei”. Das Bündnis hat detaillierte Hintergründe zum “Tag der Identität” zusammengestellt.

 

Abgänge im WWW


Weg vom Fenster: Altermedia, eine der bekanntesten Neonazi-Websites, ist seit Freitagabend nicht mehr erreichbar. Betroffen sind sämtliche Unterseiten des internationalen Projekts, auch dessen deutscher Ableger “de.altermedia.info”. Offenbar blockiert der Registrar die Domain – was beispielsweise dann passieren kann, wenn die Domain zum Verschicken von Spam genutzt wird. Derweil wird u.a. per Twitter die Falschmeldung verbreitet, deutsche Provider würden den Zugriff im Auftrag von Behörden blockieren.

In der letzten Zeit litten mehrere bekannte rechte Websites unter solchen oder ähnlichen Problemen: Im März war beispielsweise alpen-donau.info vom Netz genommen worden, nachdem das österreichische Innenministerium mit dem US-amerikanischen Hoster einen gerichtlichen Vergleich erzielt hatte. Zwar fallen Neonazi-Inhalte in den USA unter den Schutz der Meinungsfreiheit, allerdings habe der in solchen Kreisen für anonymes Hosting beliebte Anbieter Dreamhost laut Presseberichten „zunehmend um sein Image gefürchtet“. Bei Dreamhost sind auch weitere Naziseiten untergebracht, etwa der von Dennis Giemsch betriebene Blog-Dienst “Logr”.*

Im Falle von “alpen-donau.info” hat die Sperrung zwar ihre Wirkung verfehlt, weil die Website knapp einen Monat später mit neuer Domain erneut online ging (Überschrift seitdem: “Juden raus”). Allerdings wird in Österreich zielstrebig gegen die nicht-wirklich-anonymen Betreiber ermittelt (GAMMA berichtete): Seit April sitzen drei Neonazis wegen ihrer volksverhetzenden Beiträge in Untersuchungshaft, darunter der bekannte Wiener Naziaktivist Gottfried Küssel.

“Altermedia Deutschland” hat dies nicht zu befürchten, obwohl auch gegen dessen Macher seit Jahren Ermittlungen geführt werden. Zuletzt war der mutmaßliche Betreiber, Axel Möller aus Stralsund, im Frühjahr 2010 zu einer Geldstrafe von 3000 Euro verurteilt worden, weil er bei Altermedia wiederholt antisemitische und holocaustleugnende Texte gepostet hatte. Im Mai 2011 zog Möller seine Berufung zurück, die Verurteilung ist damit rechtskräftig. Laut Angaben von “NPD-Blog” sei Möllers Urheberschaft durch beweiskräftige Hinweise unstrittig.

Möllers Rolle ist seit spätestens 2003 öffentlich bekannt – damals veröffentlichte die “Frankfurter Rundschau” ein kritisches Porträt des Mannes, der seinerzeit für das Vorgängerprojekt “Störtebeker-Netz” verantwortlich war. Ein Ende von “Altermedia Deutschland” ist dennoch nicht in Sicht: Angesichts der “downtime” wurde mittlerweile eine Ersatz-Domain geschaltet, unter der ab Anfang der Woche die Inhalte von “Altermedia Deutschland” wieder erreichbar sein sollen.

Kürzlich unerreichbar war auch das Blog DeutschlandEcho (vormals “Gesamtrechts”), weil durch Werbung gegen die Nuzungsbedingungen des Hosters verstoßen wurde. Mittlerweile ist auch diese Website mit neuer Domain und eigenem Webspace wieder erreichbar. Noch im digitalen Nirvana befindet sich dagegen die Outing-Website Recherche Mitte – nach eigenen Worten ein “Feindaufklärungsprojekt”, das Namen und Daten linker Personen im “Anti-Antifa”-Stil veröffentlicht und zur Gewalt gegen sie aufruft. Am Projekt beteiligt ist der Eilenburger NPD-Stadtrat Kai Rzehaczek. Nazis spekulieren aktuell, ob die Website einem Hacker-Sabotageakt zum Opfer gefallen ist.

(* Mehr zu rechten Internetdiensten steht in der aktuellen Ausgabe der antifaschistischen Zeitschrift Lotta, S. 31f., erhältlich im gut sortierten Buchhandel und in Infoläden.)

 

Am Rande


Bekanntschaft schließen: Der Leipziger Neonazi Marcel Wittig hat seine Anonymität eingebüßt. Ein Artikel bei “Indymedia linksunten” berichtet über die Umtriebe des 21-jährigen Kochs in der Kameradschaft “Heimattreues Leipzig”. Wittig war am 14. Mai auch am Naziaufmarsch in Berlin-Kreuzberg beteiligt, bei dem es zu Angriffen auf PassantInnen und AntifaschistInnen gekommen war (GAMMA berichtete). “Heimattreues Leipzig” (offizielle Falschschreibweise: “Heimat-Treues-Leipzig”) ist seit Oktober 2010 durch die Teilnahme an Naziaufmärschen und mehrere Flugblatt-Aktionen aufgefallen.

Nachtrag: Weitgehend unbeachtet fand am 1. Juli ein Konzert der Neonazi- und Hooligan-Band “Kategorie C” im dafür angemieteten ehemaligen Dresdner “Nubeatzz Club” (Neustadt) statt. Wie das Dresdner Antifa-Rechercheteam berichtet, handelte es sich beim Veranstalter um die Firma “Flowerpower Gastronomie GmbH & Co KG”. Das Unternehmen steht hinter der gleichnamigen Kneipe “Flowerpower” in der Leipziger Südvorstadt.

 

Lektüretipps


“Die Härte des Systems”: Das Magazin SPIEGEL berichtete in dieser Woche zur Dresdner “Handy-Daten”-Affäre, über deren Umfang ständig neue Details bekannt werden. Mittlerweile verschickt die Dresdner Staatsanwaltschaft Bußgeldbescheide an die TeilnehmerInnen friedlicher Sitzblockaden gegen die Nazi-“Trauermärsch” im Februar dieses Jahres. Unterdessen wird in Sachsen gegen “die Antifa” als “kriminelle Vereinigung” ermittelt, der “mehrere tausend Menschen” angehören sollen.

Retrospektive: Die Initiative “Pogrom 91” erinnert an die Überfalle auf Asyl- und VertragsarbeiterInnen vor 20 Jahren im ostsächsischen Hoyerswerda. Aus diesem Anlass fordert die Initiative die Errichtung eines Mahnmals in der Stadt und begleitet das Anliegen u.a. mit einer Veranstaltungsreihe. Auf der Website der Initiative wurden außerdem zeitgenössische Dokumente zugänglich gemacht.

Was als “links” gilt: Kritisches zur Zählweise “politisch motivierter Straftaten” und zur (Un-) Brauchbarkeit staatlicher Statistik.

Neues Heft: Die aktuelle Ausgabe des Antifa-Infoblatts (AIB, Sommer 2011) widmet sich dem Schwerpunktthema “Grauzonen”-Musik. Außerdem wird über den Umgang mit Aus- und Umsteigern aus der Nazi-Szene debattiert.

“Braune Schatten”: Fünfteilige Reportage der sächsischen Tageszeitung “Freie Presse” über Neonazismus.

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