FN-Leaks (V)

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5. Infrastruktur des “Freien Netzes”

Das „Freie Netz“ wirkt auf eine Institutionalisierung der eigenen politischen Arbeit hin. Dafür werden die bestehenden Kontakte zur NPD genutzt; entweder, um an Geld zu kommen, oder um beispielsweise deren Räume nutzen zu dürfen. Diese Bemühungen sind eindeutig belegt und teilweise erfolgreich.

a) Eigenes Kopiergerät

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„Sibelius“ [Maik Scheffler] schlägt eine gemeinsame Anschaffung vor:

Was haltet ihr von der Idee, wenn wir uns ,als am nachsten beieinander liegende FN Städte, auch in einen Risographen bzw Kopierer reinteilen. Hierbei würde ich frecher Weise die Fraktion im Ltg anschreiben, ob sie selbst einen Teil zur Finanzierung beisteuern würde, da ich ja ab 1. Januar Organisations- bzw Koordinationsleiter für euren und unseren Bereich hauptamtlich bin. Ich stelle mir das so vor, dass dieses Gerät im Objekt Lpz [NPD-Büro, Odermannstraße 8] stationiert werden würde und die Herstellungskosten des Materials ins Objekt zurückfließen würden. […] Gleichzeitig würde die Fraktion durch persönliche Spenden glaubhaft die bevorstehende Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den Freien Kräften signalisieren und untermauern können. Ich finde dies sehr wichtig und einen ersten Teil zur Strukturschaffung.

Kostenpunkt: mehrere tausend Euro. „Feldgrau“ [Tommy Naumann] ist sich zunächst nicht sicher, ob sich die Anschaffung lohnt:

Naja ich denke nich das wir Geld aus unserer Kasse für`n Wahlkampf nutzen. Von Wahlen halte ich nach wie vor nichts.

Doch tatsächlich ist die Teilnahme des FN am NPD-Wahlkampf nur ein Vorwand, an die Finanzen der Partei zu gelangen. Dazu „Sibelius“ [Maik Scheffler]:

Das Gerät soll ja nicht wegen des Wahlkampfes gekauft werden. Der Wahlkampf ist aber mein Argument, wenn ich den Fraktionsleuten Geld aus den Taschen ziehn will. Man kann dran doch fest machen, wie weit sie wirklich bereit sind, uns hier zu unterstützen. Sie wollen ja auch was von uns wenn du weisst was ich meine. Wir selber investieren auch kein Geld in den Wahlkampf. Das Gerät macht uns auf jeden Fall aber auch im Wahlkampf unabhängiger und wir müssen nicht deren Schrott verteilen.

Derselbe Autor hegt nun allerdings Zweifel am geplanten Standort (siehe auch 5b):

[…] das Objekt verliert zunehmend an der einst vorgesehenen Bedeutung. Es scheint immer mehr zum Ebenbild besetzter Häuser in Connewitz zu mutieren. Statt Nationales Schulungs- und Freizeitzentrum, wird es zum autonomen Abenteuerspielplatz als Reaktion aufs linke Spiel. Ich seh Sylvester schon, Scudaris Megaböller übern Zaun fliegen und schwarze Fahnen auf dem Dach. Für konsperative Treffen oder gute Vorträge und evtl mal auch Anziehungspunkt neuer Interessenten, ist der Ort bald nicht mehr geeignet wenn man weiter auf das Spiel der Zecken eingeht. Da sollte mal wirklich auf den Tisch gehaun werden und Ordnung geschaffen werden, bevor man dem Bürger in Lindenau nichts mehr zu erzählen braucht, von wegen alternativer Jugendkultur. Das haben die alles schon zur Genüge bei den Zecken.

Einen Zwischenerfolg kann er trotzdem vermelden:

Ich bin momentan mit der Fraktion und dem LV in den Verhandlungen, wie dieser Kauf gestemmt werden kann. Ein großes Interesse wurde mir aber schon bekundet.

b) NPD-Büro in der Leipziger Odermannstraße

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Immer wieder ist im FN-Forum vom „Objekt“ die Rede. Gemeint ist damit das „Nationale Zentrum“ in Leipzig – ein Ende 2008 eröffnetes NPD-„Bürgerbüro“ des NPD-Landtagsabgeordneten Winfried Petzold in der Odermannstraße 8 („O8“ im Stadtteil Lindenau). Laut Informationen aus dem Forum fanden dort auch etliche Kadertreffen des „Freies Netzes“ statt, daneben zahlreiche Feierlichkeiten. Nach Aussagen von „Sibelius“ [Maik Scheffler] bietet die „O8“ für alle Anlässe Platz für 180 Gäste – obwohl die behördlichen Nutzungsauflagen die Teilnehmerzahl auf 100 limitiert.

Doch wirklich repräsentativ ist das „Objekt“ ohnehin nie geworden, wofür auch das Verhalten einiger Kameraden sorgte. Nachdem Besucher der „O8“ im Dezember 2008 die Polizei angegriffen haben, wird das Problem im FN-Forum thematisiert. „Andre“ [André Luther] schreibt:

Mal ganz ehrlich, wie kann man nur so blöde sein und in diesem Zentrum jedes mal Assi-Partys veranstalten, noch dazu mit Livemusik. Das was von uns dem Bürger vorgepredigt wird, von wegem nationales Jugendzentrum widerspiegelt sich jedes mal aufs neue wieder.

„Sibelius“ [Maik Scheffler] hakt ein:

Somit dürfte dieses Objekt als alternatives Zentrum für nationale Zusammenkünfte und Freiräume gestorben sein. Schade nur für die ganzen Kräfte, welche dort über Wochen gearbeitet haben um etwas für uns alle zu schaffen. Nun ist es ein gefährlicher Spielplatz pupertärer Chaoten geworden. Die Verantwortlichen vor Ort haben in meinen Augen schweren Schaden angerichtet, welcher ihnen das nutzen des Objektes in Zukunft verbieten sollte. Normal müsste man selbst dazwischen knüppeln.

Und weiter an die Adresse von „Feldgrau“ [Tommy Naumann] schreibt derselbe Autor:

Du warst doch auch vor Ort????? Da hast du die Konsequenz für deinen unkonsequenten Klüngel mit dem autonomen Kindergarten. Es bedarf scheinbar keiner Zecken um das Objekt zu vernichten, das erledigt man in Leipzig selbst. Ich bin mal auf Silvester gespannt, da kann man dann gleich Auszugsparty feiern. So eine Scheisse!!!!!

„Feldgrau“ [Tommy Naumann] gefallen die Zustände in seiner Stadt zwar auch nicht, aber die Verantwortung möchte er nicht übernehmen:

Zu den Autonomen [gemeint sind “autonome Nationalisten”] kann ich nur sagen das kaum welche da waren, das war fast rein Fußball und Kraken, und der restliche Menschenmüll der sich leider bei uns rumtreibt. Im Vorfeld hab ich Stein und bein Gebetet, beim KV [NPD-Kreisverband], bei Enrico [Enrico Böhm, Anführer der Hooligan-Gruppierung „Blue Caps LE“ im Umfeld des 1. FC Lokomotive Leipzig] sowie bei den Feiernden selbst das zu lassen […] Ich nenne keine Namen, aber ich hab gesagt ich und meine Gruppe [“Freies Netz Leipzig” bzw. “Aktionsbündnis Leipzig” sowie “JN Leipzig”] wir machen für das Objekt keinen Finger mehr krumm so lange solche Flachzangen da am Werk sind

Auch „Hugo“ [Thomas Gerlach] mischt sich ein und empfiehlt einen kurzen Prozess:

[…] bei der Sache muss doch selbst der letzte Trottel einsehen, dass hier nur ne Säuberung und nen Machtwort helfen kann das Objekt noch zu retten

Dann wird diskutiert, wen ein solches Machtwort treffen soll. „Sibelius“ [Maik Scheffler] legt vor:

Enrico [Enrico Böhm, s.o.] und Nils [Nils Larisch, NPD-Fraktions-Mitarbeiter und Lok-Hooligan wie Böhm] kommen ja selbst aus dem menschlichen Müllhaufen und sind somit die dümmste Besetzung für das Objekt überhaupt. Das haben sie und ich denke mal vor allem Enrico in seiner grenzenlosen Naivität bewiesen.

Mit einem Vor-Ort-Gespräch wurde dann versucht, die Wogen zu glätten. Als Konsequenz wurde eine bereits angekündigte Silvesterfeier in der „O8“ wieder abgesagt. Allerdings blieben einige Konflikte aktuell, etwa mit dem unkontrollierbaren Lok-Hooligan Enrico Böhm. In einem eigenen Thread wird beispielsweise berichtet über die Zugfahrt vom Dresdner „Trauermarsch“ im Februar 2009 zurück nach Leipzig.

Die offenbar alkoholisierten Kameraden haben in drei Zugabteilen randaliert und u.a. Sitze aus dem Fenster geworfen. Dazu berichtet „Feldgrau“ [Tommy Naumann]:

Waren wohl zum großenteil nen paar junge Fußballer aus EB [Eilenburg] und LE [Leipzig], und wohl soweit ich aus vertrauenswürdiger Quelle erfahren habe leider auch Enrico [Böhm]

Darauf antwortet „Sibelius“ [Maik Scheffler]:

Langsam reichts mit seiner [Enrico Böhms] naiven Dämlichkeit. Würde er nicht öffentlich verantwortlich fürs Objekt sein, wäre es mir egal aber wenn er tatsächlich dabei war und auch noch tätig, muss das Konsequenzen haben. […] Ein paar Delitzscher haben mir auch eben bezeugt, dass Enrico mit federführend war.

Böhm ist 2009 dann trotzdem, gemeinsam mit Tommy Naumann alias „Feldgrau“, für die NPD als Stadtratskandidat in Leipzig angetreten. Nach außen ist von den internen Auseinandersetzungen ohnehin nichts gedrungen.

Stattdessen wurde krampfhaft versucht, Linken die Schuld für gewalttätige Zwischenfälle zu geben. In einem weiteren Thread berichtet „Andre“ [André Luther] am 05.12.2008 von einer SMS eines gewissen „Lümmel aus Leipzig“ [Florian Junge], Inhalt: “40 vermummte Antifas griffen eben mit selbstgebauten Bomben das Objekt in Leipzig an”, und dazu der Aufruf an alle Kameraden für den Folgetag: “Bitte richtig Mobil machen.” Doch rasch folgt die Aufklärung durch denselben Autor:

Habe inzwischen erfahren, dass die “Bomben” oder was auch immer gar nicht von den Afas geworfen wurden sondern von den Leuten die in der Zeit in dem Objekt waren. [… ] Ja ja, so wurden dann die Tatsachen verdreht und es wurde gesagt das die Zecken “bomben” geworfen haben.. Und jetzt wollen sie [Leipziger Nazis] für Freitag ne Demo anmelden womit man sich meiner Meinung nach vielleicht etwas unglaubwürdig macht..

Das findet „Hugo“ [Thomas Gerlach] nicht ganz so schlimm:

Naja die “Lüge” gehört -leider!- zur politischen Aggitation. Allerdings muss man sie passend einsetzen […] Wie gesagt, leider gehört sowas in allen Zeiten zur propagandistischen Arbeit und zur Agitation […] Man muss sehr vorsichtig sein mit sowas. Wenn möglich darauf natürlich ganz verzichten (finde ich)…

„Sibelius“ [Maik Scheffler] wiederum empfiehlt eine bessere Absicherung der “O8”:

Ich denke, hier sollte man überlegen, eine Koordination und Kontrolle des Objektschutzes reinzubringen. Man muss nicht immer zeigen, was man hat. Nen Kameraüberwachungsset (2 Aussenkameras für Tag und Nacht + Monitor) bekommt man für 149 Euro. Das ganze mal 2, sind 300 Euro, die ein MdL locker sponsorn kann. So bedarf es keiner Leute mehr auf Dächern sondern 2 Leuten in der Überwachungszentrale. Das wird auch bei der Afa wirken, welche weiss, dass ihre Aktionen mitgeschnitten werden. […]

Das hätte im Falle des angeblichen „Bomben“-Angriffs aber nicht viel genützt. Bei den „Linken“, die nach dem hier angesprochenen Vorfall auch in einer Pressemitteilung der Leipziger Polizei fälschlich als „Angreifer“ benannt wurden, handelte es sich in Wirklichkeit um einen Chor, der vor der „O8“ zwei Lieder gesungen hat – und dann von Neonazis vom Gelände der „O8“ aus angegriffen wurde.

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