“Es gibt keinen rechten Terror in Deutschland”

Ein Kommentar zur Aktualität des “Rechtsterrorismus”

Nach den schockierenden Anschlägen in Norwegen spricht ein ZDF-Terrorexperte davon, dass in Deutschland nicht die Gefahr des “Rechtsterrorismus” bestehe. AntifaschistInnen und MigrantInnen erleben allerdings fast jeden Tag, was es bedeutet, mit der Gefahr des rechten Terrors zu leben.

Am 23. Juli strahlte das ZDF eine “Heute”-Sendung zu den Anschlägen in Norwegen aus. Dabei sagte der “Terrorismusexperte” Elmar Theveßen:

“Es gibt keinen Rechtsterrorismus in Deutschland, keine Anhaltspunkte für einen Rechtsterrorismus.” (Hier ansehen)

Terror bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch u.a. die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung u.a. politischer Ziele. Allein im Jahr 2010 wurden 239 gewalttätige Angriffe durch Rechte mit 396 Opfern registriert. Darin inbegriffen: ein Mord und 17 Brandanschläge – allein in Sachsen. Ungezählt ist das Dunkelfeld systematisch ausgeführter Übergriffe, die nicht zur Anzeige kommen, sowie Einschüchterungsversuche, die meist mit Gewaltandrohung einher gehen.

Die Mitglieder von NPD, JN und Freien Kameradschaften sind zu einem großen Teil bereits wegen Gewaltdelikten vorbestraft. Der “Mitteldeutsche Ordnerdienst” unter Leitung von Maik Scheffler führte erst im Juni ein Trainingscamp zur Ausbildung in diversen Kampfsportarten durch – Ziel ist die gewaltsame Auseinandersetzung mit “politischen Gegnern”. Seit Anfang 2011 sind zudem Verknüpfungen von sächsischen Nazis zu Wehrsportgruppen u.a. in Österreich bekannt.

Es stimmt, dass solche Vorbereitungen – mal zum “Straßenkampf”, mal für den “Tag X” – öffentlich kaum wahrnehmbar sind. Es stimmt auch, dass sich die Medien häufig scheuen, solche Entwicklungen und ihre Protagonisten beim Namen zu nennen und es damit rechten Tätern leicht machen. Es stimmt auch, dass Ermittlungsbehörden und Gerichte menschenfeindliche, rassistische oder faschistische Tathintergründe oft ignorieren. Daraus aber zu folgern, dass es keinen rechten Terror in Deutschland gibt, ist in Anbetracht objektiver Zahlen eine Beleidigung aller Opfer rechter Gewalt.

Viele Opfer gehören nicht zur hegemonialen Masse der Gesellschaft, und das ist auch der Grund, warum man sie so leicht übergeht, warum gewalttätige Angriffe durch Neonazis schnell zu “Auseinandersetzungen zwischen Extremisten” gestempelt werden. Alltäglicher rechter Terror, wie er gerade in Limbach-Oberfrohna und Nordsachsen stattfindet, bleibt daher unbeachtet.

Doch was bedeutet dies für antifaschistisch engagierte Menschen? Ist es noch möglich, sich angesichts staatlicher Repression und rechter Gewalt antifaschistisch zu engagieren? – Ja, und es ist auch besonders wichtig: Wenn menschenfeindliche Ideologien durch Nazis propagiert werden, gilt es zu intervenieren, egal an welchem Ort. Die mediale Relativerung rechten Terrors und staatliche Retourkutschen gegen AntifaschistInnen machen das um so nötiger.


Kommentare sind Einzelmeinungen. Die Streitbarkeit von Meinungen ist nie ein Makel, sondern immer ein Aufruf zur Kritik und Diskussion. Schreibt uns!

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