Was muss passieren, damit sich Nazis von Nazis distanzieren und sich die Zugehörigkeit zu einer selbst erklärten “Sammlungsbewegung” bestreiten?
In einem Fall veröffentlichte die berüchtigte “Kameradschaft Aachener Land” (KAL) im November 2010 eine Erklärung, laut der sie nichts mit einem gewissen Daniel Kappe zu schaffen habe. Dieser kommt ursprünglich aus Leipzig und muss sich gerade vor dem hiesigen Landgericht verantworten – für seine Mittäterschaft beim Mord an Kamal K. Die Distanzierung ist nichts wert, denn das Engagement Kappes in der KAL ist nachgewiesen, Fotobeweis inklusive.
Die Propaganda
Ein zweiter aktueller Fall ist die Ermordung eines Obdachlosen, so geschehen in der Nacht zum 27. Mai in Oschatz. Dafür sitzt Ronny Schleider als Mittäter in U-Haft. Der 27-Jährige gehört zum Umfeld der Oschatzer “Jungen Nationaldemokraten” (JN). Die hören so etwas gar nicht gern und ließen den NPD-Kreischef Maik Scheffler im Internet ausrichten (16.06.2011), die politischen Ambitionen Schleiders seien “herbeifabuliert” und eine “Propagandalüge”. In einer weiteren Erklärung des NPD-Kreisverbandes Nordsachsen (03.07.2011) heißt es:
Wie der NPD-Kreisvorsitzende Maik Scheffler angesichts linker Mutmaßungen schon vor Wochen klargestellt hatte, gehörte der Totschläger zu keinem Zeitpunkt der NPD oder den Jungen Nationaldemokraten (JN) an und arbeitete auch nicht als Parteifreier in irgendwelchen nationalen Zusammenhängen mit.
Das ist gelogen – und selbstverständlich gibt es auch hier einen visuellen Gegenbeweis. (2.v.r.: Ronny Schleider, ganz links: Jens Gatter. Foto: Archiv)
Die Wirklichkeit
Das Bild entstand tatsächlich “in irgendwelchen nationalen Zusammenhängen”, nämlich am 18. Februar 2010 in Oschatz bei einer Nazi-Störaktion anlässlich einer Demonstration gegen Kürzungen bei der Jugendarbeit. Offenbar bezugnehmend auf den kurz zuvor blockierten Naziaufmarsch in Dresden zeigten in der nordsächsischen Kleinstadt etwas mehr als ein Dutzend NPD- und JN-Aktivisten ein Transparent und brachten zum “Schutz” ein paar Mügelner Nazis mit. Über die Aktion wurde auf Maik Schefflers Website “Aktionsbüro Nordsachsen” sogar einen Bericht der “JN Oschatz” (24.02.2010) veröffentlicht:
Deshalb kam es an diesem Tag zur ersten gemeinsamen Aktion von Mitgliedern der NPD und des neugegründeten Stützpunktes der Jungen Nationaldemokraten. Als der Demonstrationszug auf dem Oschatzer Neumarkt eintraf, entrollten die Nationalen ein Transparent mit der Losung: “Wir blockieren Eure Demo nicht!”
“Die Nationalen” – das waren in Oschatz beispielsweise der NPD-Kreisrat und Scheffler-Stellvertreter Jens Gatter, sein mittlerweile verstorbener Kreisrats-Kollege Andreas Siegel und Parteigenosse Uwe Bautze. Zu ihnen gesellten sich Aktivisten der besagten JN Oschatz. Darunter: Ronny Schleider und sein Bruder Martin. Ihr offenbar in aufwändiger Handarbeit gefertigtes Transparent war mit “NPD” und “JN” gekennzeichnet.
Umso widerlicher ist es, wenn die NPD nun vorgibt, Ronny Schleider nicht zu kennen, sondern des von ihm ermordeten André K. zu “gedenken” – am 1. Juli haben Gatter und Bautze sogar an einer Mahnwache für das Opfer teilgenommen. So machen NPD-Kader aus der Tat, die einer aus ihren Reihen begangen hat, ein Argument für ihre Partei, indem sie wie immer “eine harte Bestrafung der Täter” fordern.
Genau das ist eine klassische Propagandalüge.