Schwund in Sachsen: NPD-Kreisverband Landkreis Leipzig wird aufgelöst

Vom rechten Kernland zum braunen Krisenherd: In Sachsen hat sich die Spaltung der NPD mit weiteren Austritten aus dem Kreisverband (KV) Landkreis Leipzig zugespitzt. Der dortige Kreisvorstand, bisher geleitet durch Marcus Müller (39, Mutzschen), ist demnach geschlossen zurück- und umgehend aus der Partei ausgetreten.

Über den offenbar länger geplanten Schritt war bisher nur intern berichtet worden. Gestern wurde in einem Kommentar auf der Neonazi-Website “Altermedia” behauptet, ein nicht näher bezeichneter “NPD-KV in Sachsen” wolle “die Gefolgschaft zur Apfelmusfraktion aufkündigen”. Weiter hieß es, man wolle “auf jefen Fall als Freie Kräfte weiterarbeiten, ohne dem Betonklotz der NPD am Fuß”. Einen NPD-Kreisverband werde es in der betroffenen Region “auf absehbarer Zeit nicht mehr geben.”

Nach GAMMA-Recherchen hat sich dies bestätigt: Gemeint ist der Kreisverband Landkeis Leipzig, der auch den ehemaligen Muldentalkreis umfasst. Und dort zieht sich nicht nur der Vorstand zurück, auch weitere NPDler aus der Region wollen die Partei verlassen. Der gesamte Kreisverband hatte bisher etwa 50 Mitglieder.

Der faktischen Selbstauflösung des Kreisverbandes ging ein hartes Durchgreifen des Landesverbandes voraus. Anfang Februar war Sven Tautermann (41, Nerchau), der bisher für die Partei im Kreistag saß, aus der NPD ausgetreten – womöglich nicht freiwillig. Zugleich distanzierte sich die Partei vom NPD-nahen Kreistagsmitglied Gerd Fritzsche (59, Borsdorf). Durch die neuerlichen Austritte wird die NPD vermutlich eine ganze Reihe kommunaler Mandatsträger verlieren, darunter die Kreisräte Heiko Forweg (35, Machern) und Wolfgang Schroth (65, Wurzen), außerdem ihren Stadtrat in Trebsen, Andreas Hufnagel (47).

Weitere Parteiaustritte gab es in jüngster Vergangenheit auch in Ostsachsen, wo der Rothenburger Stadtrat Steffen Hentschel Ende 2011 sein Parteibuch zurückgegeben hat und aus dem NPD-Kreisverband Görlitz/Niederschlesien-Oberlausitz ausgetreten ist. Nach Darstellung der NPD ist Hentschel damit einem Ausschluss zuvorgekommen. Im Kreisverband Mittelsachsen gab es im November 2011 einen erzwungenen Führungswechsel, dort musste Wilko Winkler (31, Mühlau) seinen Posten als KV-Vorsitzender niederlegen. Winkler pflegte enge Kontakte zu den Leipziger NPD-Dissidenten, ihm wurden die gleichen “parteifeindlichen Ansichten” vorgeworfen. (GAMMA berichtete)

Freiwillig hatten im November zudem führende Mitglieder des KV Chemnitz, darunter der Kreisvorsitzende Sven Willhardt, infolge des Landesparteitages ihren Austritt erklärt; sie hinterließen einen nicht mehr arbeitsfähigen Verband. Weiterhin brach liegen die Kreisverbände Zwickau-Westsachsen und Vogtland. Im Vogtlandkreis gab es 2008 die letzte “Austrittswelle”, bei der zwei Kreistagsmitglieder die NPD verlassen und als – allerdings irrelevante – “Alternative” einen Konkurrenz-Verein gegründet hatten. Die NPD hat sich von diesem Schwund vor Ort nie wieder erholt.

Im sächsischen NPD-Landesverband scheint sich diese Entwicklung nun erneut zu vollziehen. Klar wird außerdem, dass der Bundesvorsitzende Apfel dem neuen Landesvorsitzenden Mario Löffler kein gemachtes Bett hinterlassen hat, sondern einen Scherbenhaufen. Zu dem gehört auch der Jugendverband “Junge Nationaldemokraten” (JN). Nach der Eskalation des Streits mit dem militanten “Freien Netz”, das die JN in Sachsen kontrolliert, ist die zukünftige Rolle der JN offen. Zuletzt hatte der sächsische JN-Chef und FN-Aktivist Tommy Naumann seinen Posten niedergelegt. (GAMMA berichtete)

Aufklärung zum Status Quo ist seitens der NPD derweil nicht zu erwarten: Über die aktuelle Krise, die sich seit bald einem halben Jahr immer weiter zuspitzt und über Sachsen hinauszuwachsen droht, berichteten die Parteimedien bisher mit keinem Wort.

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