Bericht: Mit einem Konvoi tourte die sächsische NPD in der vergangenen Woche durch den Freistaat. Unter dem Motto “Einmal Sachsen und zurück – Asylmissbrauch & Islamisierung stoppen” inszenierte die Partei insgesamt 13 rassistische Kleinst-Kundgebungen in Chemnitz, Plauen, Dresden, Leipzig, Pirna, Kamenz, Radebeul und Riesa. Bei der braunen Ausfahrt ist vor allem der “Ordnungsdienst” der Partei aufgefallen – als Schlägertrupp.
Keine Mobilisierung, wenige Autos, sehr viel Presse: Man kann nicht behaupten, die NPD hätte kein Konzept. Aber auch nicht, dass es aufgeht: Für jeweils 15 Teilnehmer waren die einzelnen Kundgebungen angemeldet worden, mehr als 50 wurden es am Ende nirgendwo. Wo nichts ist, lässt sich nichts blockieren – nach diesem Muster hatte die NPD bereits Anfang August eine groß angekündigte, dann aber noch größer gefloppte “Deutschlandfahrt” unternommen.
Abbruch in Leipzig
Am Donnerstag (1. November) rollte die NPD erneut in Leipzig ein. Um 15 Uhr sollte deren Kundgebung vor der Al-Rahman-Moschee in der Roscherstraße beginnen, dazu kam es aber erst mit mehr als einstündiger Verspätung. Zuvor hatte sich die Partei durch ihren Stammjuristen Ingmar Knop das Recht erstritten, ihre zu dem Zeitpunkt gerade einmal 20 Anhänger vor Ort laut zu beschallen. Die etwa 200 Gegendemonstranten waren indes lauter. Und die Freude über den “juristischen Sieg” währte nur kurz: Als Holger Apfel gegen 16.30 Uhr anfing, durchs Megaphon zu plärren, begann in der Moschee ein Gebet. Das Verwaltungsgericht hatte ab da die Verwendung einer Schallverstärkung wieder untersagt. Nach einer kurzen Rangelei mit der Polizei verstummte der Parteichef. So endete die Kundgebung schon nach wenigen Minuten.
Eine zweite war ab 17 Uhr im Stadtteil Wahren angesetzt, wo bereits seit Monaten eine rassistische “Bürgerinitiative” gegen eine geplante dezentrale Unterkunft für Asylbewerber in der Pittlerstraße mobil macht und so der Nazipartei das Feld bereitet hat. Entsprechend laut drehte die NPD hier ihre Anlage auf – laut Ordnungsamt zu laut, so dass die Polizei den Strom abstellte. Die sichtlich frustrierten Neonazis griffen wieder zum Megaphon und kündigten nach zweimaligem Absingen des “Deutschlandliedes” in allem drei Strophen an, alsbald wiederzukommen.
Michael Schäfer, Holger Apfel und Maik Scheffler (v.l.) am 1. November 2012 in Leipzig. Foto: Indymedia linksunten.
Teilnehmer der NPD-Kundgebungen in Leipzig waren:
Holger Apfel, Patrick Ballschuh, Jens Baur, Mirko Beier, René Despang, Feven Fischer, Jürgen Gansel, Jens Gatter, Patrick Gentsch, Marvin Götze, Marcus Großmann, Jörg Hähnel, Helmut Herrmann, Antje Hiekisch, Patrick Kallweit, Andreas Knape, Alexander Köhler, Alexander Kurth, Mario Löffler, Christine Mielke, Hans-Joachim Mielke, Julian Monaco, Stephanie Otto, Gert Petersen, Cornelia Reller, Paul Rzehaczek, Michael Schäfer, Maik Scheffler, Denny Schulz, Holger Szymanski, Manuel Tripp, Klaus Wartenfelser
Überfall auf Protestierende in Chemnitz
Die “Brandstiftertour” der NPD hatte am Dienstag (30. Oktober) ebenfalls mit zwei Kundgebungen in Chemnitz begonnen. Die Polizei vermeldete nachher einen “störungsfreien” Verlauf. Allerdings überfiel der mitgereiste “Ordnungsdienst” der Partei vor der Weiterfahrt nach Plauen einige Protestierende die versucht hatten, den Konvoi aufzuhalten.
An dem Überfall in Chemnitz beteiligt war u.a. Klaus Wartenfelser. Er fungiert als “Sicherheitschef” der NPD-Landtagsfraktion. Gegen ihn und weitere Angreifer wurden Strafanzeigen gestellt, sie erhielten dennoch freies Geleit.
Als Anlass für ihren direkt anschließenden Termin in Plauen verwies die NPD auf angebliche Fälle von “Ausländerkriminalität”, darunter eine Schlägerei vor einer Diskothek. Pikant daran: Wegen dieser Auseinandersetzung müssen sich mittlerweile zwei Mitarbeiter des mit der extremen Rechten verbandelten Sicherheitsunternehmens “C.O.P.S.” vor Gericht verantworten. Bei den Angeklagten handelt es sich um einschlägig bekannte Neonazis, die überdies Mitglieder der Rockergruppierung “Gremium MC” sind. Der Prozess am Amtsgericht Plauen ruht derzeit, weil einer der Hauptbeschuldigten im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität in Untersuchungshaft sitzt. Zwischenzeitlich wurden zudem zwei der Betroffenen abgeschoben, die nun nicht mehr als Zeugen zur Verfügung stehen.
Freies Geleit für Partei-Schläger in Dresden
Am übernächsten Tag – direkt vor der Weiterfahrt nach Leipzig – hielt die NPD zwei Kundgebungen in Dresden ab. Auf ihrer Route durch die Stadt steuerte ein Wagen aus der Kolonne gezielt auf Teilnehmer einer friedlichen Sitzblockade am Käthe-Kollwitz-Ufer zu und fuhr mehrere Personen absichtlich an. Die Insassen des Wagens prügelten daraufhin erneut mit Schlagstöcken auf umstehende Menschen ein, im Tumult wurde ein NPD-Fahrzeug beschädigt.
An dem Überfall in Dresden beteiligt waren:
Jens Gatter, Patrick Gentsch, Andy Knape, Nils Larisch, Julian Monaco, Thomas Sattelberg, Michael Schäfer, Maik Scheffler.
Gegen die Angreifer wurden Strafanzeigen gestellt, aber sie konnten ihre Tour wiederum fortsetzen. Die NPD verbreitete zeitnah eine Pressemitteilung, in der von einem “gezielten Anschlag” auf den Parteivorsitzenden Apfel die Rede war. “Nur durch das beherzte Eingreifen des Ordnungsdienstes der NPD konnte die für die Beteiligten lebensbedrohliche Situation schließlich geklärt werden”, heißt es in der Parteipropaganda.
Der Zwischenfall verzögerte die Weiterfahrt nach Leipzig. Erst am Folgetag der NPD-Ausfahrt, vor dem Eintreffen in Radebeul, kontrollierte die Polizei sämtliche NPD-Fahrzeuge samt mitreisenden Insassen hinsichtlich einer möglichen Bewaffnung. Das Antifa-Rechercheteam Dresden berichtet in diesem Zusammenhang von einem weiteren versuchten Angriff des NPD-“Ordnungsdienstes”. Die NPD-Tour endete dann am Samstagvormittag in Riesa, ein ursprünglich geplanter Zwischenstopp in Weinböhla war zuvor ohne Erklärung weggefallen.
Landtagsfraktion als Organisatorin
Die gesamte Provo-Tour ist von den üblichen Kadern organisiert worden: Der stellvertretende Landesvorsitzende und “Freies Netz”-Anführer Maik Scheffler fuhr den NPD-Lkw und bezeichnete sich selbst als “Tourenmanager”. Scheffler war zudem für die Leipzig-Kundgebungen Ansprechpartner für “Kameraden”. Im Falle Dresdens übernahm diesen Job Jens Baur, Chef des dortigen Kreisverbandes und ebenfalls Landesvize. Beim Zwischenstopp in Plauen übernahm Marcus Großmann die Koordination. Er war langjähriger Weggefährte des kürzlich als V-Mann (“Corelli”) und Bekannter des NSU-Terroristen Uwe Mundlos geouteten Neonazis Thomas Richter.
Andy Knape, hier als Organisator des Neonazi-Aufmarsches am 14. Januar 2012 in Magdeburg. JournalistInnen hat er ungern in seiner Nähe. Foto: Archiv.
Zur ständig mitreisenden “NPD-Mannschaft” gehörten auffällig viele Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion. Zuletzt war der bisherige Bundesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation “Junge Nationaldemokraten” (JN), Michael Schäfer, als parlamentarischer Berater angestellt worden. Der aktuelle JN-Bundesgeschäftsführer Julian Monaco ist Auszubildender bei der Fraktion. Der neue JN-Chef Andy Knape wird als technischer Mitarbeiter geführt. Knape ist überdies Chef des parteieigenen “Ordnungsdienstes”, bei dem auch Scheffler und Nils Larisch mitwirken. Beide sind ebenfalls technische Mitarbeiter und übernehmen wie Knape “Schutzaufgaben”. Der frühere Berliner NPD-Vorsitzende Jörg Hähnel, in Sachsen oft mit Kamera unterwegs, verdingt sich mittlerweile als Angestellter für die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion. Als Kameramann wirkt daran auch Torsten Hiekisch mit.
Szene-Insider registrieren seit langem, dass die Parteiarbeit in Sachsen zunehmend nicht mehr durch den NPD-Landesverband um Mario Löffler, sondern die Landtagsfraktion unter Holger Apfel organisiert wird. Strategische und organisatorische Entscheidungen fallen offenbar seltener in der Berliner Parteizentrale als vielmehr in Dresden. Gezielt alimentiert werden u.a. Funktionäre der JN und des gewalttätigen “Ordnungsdienstes” – und wohl bewusst jene Parteiaktivisten, die als besonders Apfel-treu gelten. Wie GAMMA jüngst berichtete, ist Holger Apfel als Parteichef zunehmend umstritten, insbesondere im “Kernland” Sachsen.
NPD-Bundestagskandidat empfiehlt “Vernichtung durch Arbeit”
Einhellig war dagegen der Tenor, mit dem etliche NPD-Anhänger den Verlauf der Sachsen-Tour und das gewaltsame Einschreiten des Ordnerdienstes goutierten. Auf der “Facebook”-Seite Holger Apfels empfahl ein User eine so genannte “Sonderbehandlung” für Linke. Ein anderer schrieb:
“Und wegen der Überfremdung wundert unser ach so “toller Staat” über solche dinge wie vor einiger Zeit bei der NSU die Döner-Killer. Am besten Bewaffnen wir uns alle und verjagen auf eigene Hand mit einem Millionen Heer der wahren Deutschen Völker diesen Abschaum aus unserem Land und lassen diesen Staat fallen. […] bevor sie mich Unterdrücken werde ich ein wenig Paulschen Panter Spielen gehen. Denn dann sind wir wirklich an einem Punkt angekommen wo es keinen anderen Weg mehr gibt”
Bezogen auf den Zwischenfall in Dresden beschwerte sich Michael Grunzel über den “linken Pöbel”:
“Den Uranabbau sollte man reaktivieren, nicht nur aus Gründen der VdA.”
VdA, das bedeutet “Vernichtung durch Arbeit”. Der Magdeburger Grunzel ist kürzlich als Direktkandidat der NPD für die Bundestagswahl 2013 im Wahlkreis Harz nominiert worden. Der KZ-Befürworter versteht das womöglich als Vorgeschmack auf den NPD-Wahlkampf, zu dem im Frühjahr eine weitere Sachsen-Fahrt gehören soll.
Weitere Fotos zu den NPD-Kundgebungen in Leipzig wurden bei Indymedia linksunten veröffentlicht.