Albert Reimann wieder im Knast

Ergänzung: Seit 1. Juli 2011 ist das Urteil – anderthalb Jahre Haft – rechtskräftig. Reimann war dagegen in Revision gegangen, hatte aber keine fristgemäße Begründung nachgereicht. Die Revision wurde daher als unzulässig verworfen.


Am 31. März 2011 verurteilte das Chemnitzer Landgericht den Neonazi Albert Reimann zu 18 Monaten Haft für einen Übergriff am 7. Mai 2010 in Geithain. Damals hatte Reimann einen 15-Jährigen, der äußerlich oder politisch nicht in sein Weltbild passte, lebensgefährlich verletzt. In der ersten Instanz war der in Lunzenau (Mittelsachsen) wohnhafte Reimann zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, wogegen die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hatte. Gegen das neue Urteil wiederum hat Reimanns Anwalt umgehend Revision eingelegt – sein Mandant blieb daher zunächst auf freiem Fuß.
 
Und das nutzte er gleich aus: Nur einen Tag später, am Abend des 1. April 2011, griff Reimann vor einer Geithainer Pizzeria zusammen mit den lokalen Neonazi-Aktivisten Andy Krumbiegel und Rico Graulich vier junge Menschen an, die sie dem nicht-rechten Politspektrum zurechneten. Die Täter sind der bekannten Kameradschaft „Freies Netz Geithain“ zuzuordnen, sie waren teils vermummt und mit Pfefferspray, Quarzsandhandschuhen und Glasflaschen bewaffnet. Ein Betroffener musste mit Gehirnerschüt­te­rung, Schnitt- und Schürf­wun­den sowie Rip­pen­prellun­gen ins Krankenhaus gebracht werden. Reimann soll bei dem Angriff laut Augenzeug_innen „völlig durchgedreht“ sein.

 
Vor Gericht wollte er noch ein anderes Bild abgeben: Ohne rechtlichen Zwang, praktisch als Vorschuss auf das fällige Schmerzensgeld, waren einen Tag vor der Berufungsverhandlung – also zwei Tage vor dem neuerlichen Übergriff – 500 Euro auf das Konto des früheren Opfers überwiesen worden. Das Geld komme „vom Konto eines Kumpels“, erklärte Reimann. Doch dieser Versuch, dem Gericht Reue vorzugaukeln, war leicht zu durchschauen: Das Geld stammt nicht von Reimann selbst, sondern wurde seit September 2010 in der Neonazi-Szene gesammelt – in Absprache mit Reimanns Anwalt. Das Konto dafür stellte Franziska Räther zur Verfügung.

Die Mittelsachsen-Connection

Räther wohnt zusammen mit ihrem Freund Volker Schüßler (25) mittlerweile in München, wo sie als Krankenpflegerin arbeitet. Volker Schüßler ist nicht nur ein guter Freund von Reimann, sondern zudem Sohn der sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Gitta Schüßler. In seiner Heimatstadt fiel der „Nazipunker“ durch seine Sprühereien „ANLO – Autonome Nationalisten Limbach-Oberfrohna“ auf. Im Juni 2007 besuchte er mit einem „Kameraden“ eine attac-Demonstration in Rostock. Unter Pseudonymen gaben beide dem NPD-Parteiorgan „Deutschen Stimme“ darüber ein Interview. Im April 2009 nahm Schüßler zudem an den Krawallen anlässlich des Nato-Gipfels in Straßburg teil.

Für eine weitere Spendensammlung stellte Franziska Räther ihr Konto ebenfalls zur Verfügung: Im Dezember 2010 geriet Fabian „Spani“ Spanuth, ehemaliger Betreiber der Neonaziwebsite „Aktionsfront Mittelsachsen“, in finanzielle Probleme. Im Herbst 2009 war seine Website durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) als jugendgefährdend eingestuft worden, am 5. November 2009 wurde sie schließlich vom Netz genommen. Zudem leitete der Landkreis Mittelsachsen rechtliche Schritte gegen den damaligen Inhaber der Domain mittelsachsen.org ein, sodass Spanuth nun auf Kosten von 8000 Euro für den Landkreis und die eigenen Anwälte (u.a. Klaus Müller aus Erfurt) sitzt.

Der 20-jährige Spanuth mit Meldeadresse in Mittweida, früher aktiv bei den „Nationalen Sozialisten Rostock“, ist einschlägig bekannt als Designer und Verwalter mehrerer Neonazi-Websites. Um das Geld wieder einzuspielen, rief er eine „Soli“-Website ins Leben, die ebenfalls nicht lange Bestand hatte. Gehostet wurde diese auf dem Server der gescheiterten Hamburger Videothek „Technovideo Hamburg“. Deren ehemaliger Betreiber: Matthias Faust, Ex-DVU-Vorsitzender und derzeitiger NPD-Bundesvize.

Die Politprominenz nützt Reimann gerade nichts: Am 19. April 2011 – mehr als zwei Wochen nach dem besagten Übergriff – klickten bei ihm wieder die Handschellen, er sitzt nun in Untersuchungshaft. Bei ihm, Graulich und Krumbiegel fanden zudem Wohnungsdurchsuchungen statt.

(Mehr zu Reimann und dem Freien Netz Geithain in GAMMA #187 und #189.)

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