Kein weiterer “Recht auf Zukunft”-Aufmarsch in Leipzig

Cheers, das Jahr geht gut zu Ende: 2011 wird es in Leipzig zwei Naziprojekte weniger geben. Zum einen wird die Website “Freies Leipzig” nicht mehr fortgeführt. Zum anderen haben die “Freien Kräfte” um Tommy Naumann ihren Traum von einem Großaufmarsch in dieser Stadt nach eigenem Bekunden aufgegeben.

“Freies Leipzig” wird geschlossen

Die Website “Freies Leipzig” segnet das Zeitliche, gestern erschien dort eine knappe Abschiedserklärung: “Aufgrund der aktuellen Lage, steht der Endschluss: Die Aktualisierung dieser Netzseite wird zu Beginn des neuen Jahres eingestellt”.

Als Grund werden “Pressehetze und Staatsrepression” genannt, daher müsste die bisherige Strategie überdacht werden. Die bestand die beim “Freien Leipzig” in niedrigschwelligen Propaganda-Aktionen, etwa dem Verteilen symbolischer “Knöllchen”, über die unter “freies-leipzig.org” unnötig ausführlich berichtet worden ist.

Das “Freie Leipzig” existierte seit Mai 2008 mit lokalem Schwerpunkt im Stadtteil Lößnig. Hinter dem Projekt standen beispielsweise Jan Häntzschel, Dennis Pätzold, Daniel Schröder, Michael Siewert und René Böhm. Die Website war ein Gegengewicht zum “Freien Netz”, dessen Anhängern eine zu große Nähe zur NPD und ihrer Jugendorganisation JN vorgeworfen wurde.

Kein dritter “Recht auf Zukunft”-Aufmarsch

Es klingt nach enttäuschtem Größenwahn und Defaitismus, wenn die Nazis über ihren Aufmarsch-Versuch am 16. Oktober des zuende gehenden Jahres schreiben: “Wenn man diesen Tag objektiv betrachtet, so war er eine weitere Niederlage für die Menschheit”. Bisher hieß es, dass an diesem Tag “1200 Volkstreue […] ihr Recht auf Zukunft flächendeckend in der Messestadt” eingefordert hätten. Offenbar ist diese Einschätzung nun drastisch korrigiert worden:

Sind wir an diesem Tag gelaufen? Ja. Hatten wir damit Erfolg? Nein. Die zahlreichen Erfolgsmeldungen von Spontandemonstrationen im gesamten Leipziger Stadtgebiet sowie Städten in der näheren Umgebung sind nicht mehr als Balsam für die eigene aufgewühlte Seele. Wenn irgendwo 80 Leute losziehen, weil sie wissen, dass dieser Tag für sie gelaufen ist, dann ist dies kein Zeichen von Heldenmut, sondern von der eigenen Hilflosigkeit.

Auf der “Recht auf Zukunft”-Website heißt es zwar, dass die zugehörige Kampagne noch nicht zuende sei, “aber eine weitere Großdemonstration in Leipzig zu diesem Thema wird es nicht geben.” Wie es weiter geht, scheint noch völlig offen, das Recht auf Zukunft wird weit in eben diese Zukunft verschoben: “Wir werden neue und bessere Wege finden, um die Menschen zu erreichen und eines nicht allzu fernen Tages werden sie sich vielleicht doch wieder interessieren und dann werden die Karten neu verteilt.”

Zuletzt hatte Christian Worch vor gut drei Jahren die Flinte ins Korn geworfen. Nachdem bei seinem letzten Aufmarsch am 21. Juli 2007 nur 37 Nazis teilgenommen hatten, ließ er sich in Leipzig, das von ihm einst zur “Frontstadt” der Nazibewegung erklärt worden ist, nicht mehr blicken. Wofür Worch siebzehn Anläufe brauchte, lernt Tommy nach zwei. (Lesetipp: Nachbereitungstext des Antifa-Bündnis “Roter Oktober” zum 16. Oktober 2010)

Keine Entwarnung

Die rechte Resignation ist nicht ausschließlich, aber auch und sicher nicht zuletzt ein Reflex auf antifaschistische Gegenwehr. Es muss sie weiter geben, denn zwei Naziprojekte weniger setzen Kräfte frei für mindestens ein neues. Und ein sehr gewichtiges gibt es immer noch: Das Nazizentrum in Lindenau. Seine Abschaffung ist ein prima Vorsatz für 2011.

GenossInnen, hoch die Gläser!
Einen antifaschistisches 2011 wünscht euch die GAMMA-Redaktion

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“Kleinkrieg unter Kameraden”: neues AIB berichtet über Leipziger Nazis

Soeben ist die Winter-Ausgabe des Antifa-Infoblatts (AIB Nr. 89) erschienen. Darin wird unter dem Titel “Kleinkrieg unter Kameraden” auch über die örtliche Naziszene geschrieben: “NPD und ‘Freie Kräfte’ arbeiten in Leipzig eng zusammen und betreiben ein ‘Nationales Zentrum’. Doch Vieles spricht dafür, dass die örtliche Naziszene tief gespalten ist. Es geht um den politischen Kurs, um die Vorherrschaft über Gesinnungsgenossen – und um Geld.”

Der interessant bebilderte Artikel (S. 22–25) sei hiermit zur Lektüre empfohlen – zumal er mit etlichen Anekdoten aufwartet. Etwa dieser:

Bei ihren meist spontanen Aktionen bleiben die “Freien Kräfte” ohnehin unter sich und scheinen den Austausch mit der NPD abzulehnen. So stellte Winfried Petzold [Landtagsabgeordneter der NPD mit offiziellem Wohnsitz (!) und “Bürgerbüro” in der Lindenauer Odermannstr. 8] Mitte Mai gleich drei Anfragen an die sächsische Landesregierung zu einer vermeintlichen “Spontandemonstration von Linksextremisten am 17.03.2010 in Leipzig-Lößnig”. Allerdings ist an diesem Tag das “Freie Netz Leipzig ” durch Lößnig marschiert, natürlich ohne Anmeldung bei der Polizei – oder Petzold. Dazu kursierte sogar ein “Aktionsbericht” samt Video, das die Teilnehmer beim Absingen eines HJ-Liedes (“Ein junges Volk steht auf”) zeigt.

Der ahnungslose Petzold erhielt von der Landesregierung nur den Hinweis, dass zu einer “linksextremen” Demonstration “keine Informationen” vorlägen. Vom Treiben des “jungen Volkes” bzw. der “Freien Kräfte” wusste der Abgeordnete trotz seines Büros in der Odermannstraße nichts. […]

Weitere Themen des AIB sind: Rechte Morde seit der “Wiedervereinigung” (wie jüngst der Mord an Kamal K. in Leipzig), Fusion von NPD und DVU, Polizei und Rassismus, Kritik des Extremismus-Begriffs, Sarrazin-“Debatte”, rechte “Islamkritik”, die Band “Frei.Wild” uvm. Passend zum Artikel aus dem aktuellen GAMMA wird auch über den österreichischen Neonazismus und das Portal “alpen-donau.info” berichtet. Das AIB gibts in Infoläden, dem gut sortierten Zeitschriftenhandel und in Leipzig beispielsweise im Buchladen “el libro”. Ein Abo lohnt sich!

Wer sich weitergehend über die Naziszene in Leipzig informieren möchte, kann wiederum zum GAMMA greifen: Über die Eröffnung des “Nationalen Zentrums” berichteten wir in Ausgabe 184, über den dort ansässigen “Kulturverein Leipzig-West” in der Ausgabe 187. Die Finanzprobleme in der Odermannstraße 8 werden im beliebten Tommy-Hart-Dossier aufgerollt.

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GAMMA #189 erschienen

Seit kurzem ist die GAMMA-Doppelausgabe für Winter 2010/11 erhältlich.

Hier gibts das PDF (1,3 MB)*

Gedruckt bekommt ihr das Heft in den nächsten Tagen in den üblichen Locations. Bei euch liegt noch kein GAMMA aus? Dann auf zum nächsten Kopierer – die Weiterverbreitung ist strengstens empfohlen!

Diese Ausgabe ist ein Novum, denn statt der üblichen vier umfasst der Newsflyer zwölf Seiten – wie immer randvoll mit Fotos und Informationen über Akteure und Strukturen der rechten Szene.

Aus dem Inhalt:


  • Rechts-Staat: Leipziger Anwälte verteidigen Nationalsozialismus. Die Kanzlei Braeske, Hohnstädter, Thomas
  • Kurzinfos zu Sebastian “Johnny” Ristau aus Gohlis und Annette Garn aus Mügeln
  • Mildes Urteil für Nazischläger: Eine “wirklich letzte Chance” für Albert Reimann
  • Back to the roots: Die Oldschool-Nazi-Gruppe “Kameradschaft und Loyalität”
  • Die inter-nationale Achse Donau-Pleiße: Ermittlungen gegen die Website “alpen-donau.info” führen nach Sachsen
  • Die Flucht aufs platte Land: “Falsche” Nazizentren und ein “echter” Rechtsterrorist
  • Der Versenkung nahe: Sachsens Rechtsparteien schmieden ein neues Wahlbündnis
  • Des Fußballs Metastasen: “arisch, teutonisch, barbarisch”

Wir wünschen euch eine informative Lektüre. Schreibt uns, falls ihr künftige GAMMA-Ausgaben pünktlich als PDF erhalten wollt. Über Anregungen und Kritik freuen wir uns natürlich auch. Frühere Ausgaben bekommt ihr im Archiv.

Falls ihr die Möglichkeit dazu habt, würden wir uns freuen, wenn ihr unsere Soli-Anzeige (PDF, 0.45 MB) für die neue GAMMA-Ausgabe in euren Zeit- und Flugschriften abdruckt.


* MD5 Checksum für gamma189_web.pdf: fd8d3a085c12f836278be02fa01a83d7

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Video: Nazi-Randale in Großzschocher

In GAMMA #187 (PDF) berichteten wir in einem vierseitgen Dossier (PDF) über den Neonazi Tommy Hart, auch bekannt als “HCmaggot” (mittlerweile “Pauliecaust”). Darin stand:

Zum Jahreswechsel 2009/2010 ließen es Leipziger Nazis in Großzschocher ordentlich knallen: Eine größere Personengruppe – unter ihnen beispielsweise Florian Junge, Patrick Fischer und Marcus „Rolle“ Weidhase – hatte in der Silvesternacht die Scheiben einer Sparkassen-Filiale an der Ecke Huttenstraße/Dieskaufstraße eingeschlagen, anschließend wurde die Inneneinrichtung demoliert. Schon ein Jahr zuvor waren wenige Meter entfernt Müllcontainer auf die Straße gezogen und angezündet worden.

Über die Randale tauchte im Januar 2010 ein Youtube-Video auf, in dem offenbar Szenen beider Silvester-„Feiern“ zusammengeschnitten wurden. In dem mittlerweile gelöschten Film war auch ein Angriff auf eine Straßenbahn zu sehen, die zunächst mit Steinen beworfen und dann ebenfalls angezündet wurde. Von außen aufgenommen wurde außerdem die Zerstörung der Sparkassen-Filiale: Eine maskierte Person zerschlägt mit einem Knüppel das Mobiliar.

Es war Tommy Hart, der das Video mit seinem Account „Zschocherkid“ online gestellt hat. Offenbar sehr zum missfallen seiner Kameraden, die davon nichts wussten. Ein erboster User namens „eLRolle“, hinter dem sich Marcus Weidhase verbirgt, schrieb an „Zschocherkid“ folgende Nachricht: „Wer auch imme du bist. Nimm das Video aus Zschocher hier raus. Sofort. Oder wir finden raus wer de bist und es kracht! Rolle“

Das Video ist tatsächlich gelöscht worden. Macht aber nichts, denn wir stellen es pünktlich zum Jahresende wieder online. Man setze dazu die jüngste Hysterie (“Straßenschlacht”) wegen einiger Schneebälle am Connewitzer Kreuz ins Verhältnis: Anschauen!

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  • Buch 2013



    Das neue Recherche-Buch zum NSU ist erschienen: Schreddern, Spitzeln, Staatsversagen – Wie rechter Terror, Behördenkumpanei und Rassismus der Mitte zusammengehen. Inklusive einem Beitrag von Gamma.

    Mehr Infos beim VSA-Verlag…


    GAMMA-Printausgabe
    #194 (März 2013)
    zum Inhalt / Download (PDF)


    aktuelles Interview
    Aufgaben & Perspektiven antifaschistischer Medien. Veröffentlicht in Ausgabe 50 (Winter 2012/13) der Zeitschrift LOTTA: hier zum Nachlesen


    Buch 2012
    “Made in Thüringen? Nazi-Terror und Verfassungsschutz-Skandal". Mit Recherchen von GAMMA u.a.

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