Was tun gegen rechten Terror? Antworten aus der antifaschistischen Linken


Die Monatszeitschrift analyse & kritik hat Meinungen zum Umgang mit dem militanten Neonazismus in Deutschland eingeholt: In der heute erschienenen Ausgabe 568 gibt es Statements des Berliner apabiz, der Gruppe FelS, des Vereins Allmende, der Partei Die Linke und des Leipziger Projekts chronik.LE. Auch GAMMA hat einen Text beigesteuert, den wir hier ungekürzt wiedergeben:

Antifa braucht Kritik, Kontinuität und eine klare Kante

AntifaschistInnen haben immer wieder auf neonazistische Tendenzen hingewiesen. Die NSU-Morde haben gezeigt, dass die Gefahr noch gravierender ist, als es die wenigen Engagierten behauptet haben. Zu deren Unglück steht kritisches Handeln unter Extremismusverdacht und wird überwacht. Zum größeren Unglück der Opfer rechter Gewalt konnte der NSU unter Aufsicht derselben Überwacher morden.

Das darf sich nicht wiederholen. Aber das “nie wieder” festzuhalten ist schwer: AntifaschistInnen stehen vor einer handgreiflichen Herausforderung, wenn sie ihre eigene Arbeit so ernst nehmen, wie sie sein muss angesichts einer ernst gemeinten rechten Bedrohung. Gefragt ist kontinuierliches Engagement auf allen Ebenen. Wir sehen keine Alternative zu dieser Arbeit und keinen Moment, ab dem sie überflüssig wird. Mit dieser Realität haben wir es auf Dauer zu tun, also verpassen wir nicht, die Lehren zu ziehen:

1. Linke Medien haben zu wenig zur NSU-Berichterstattung beigetragen. Manche linke Gruppe hat das Thema ignoriert. Bürgerliche Medien konnten eine kriminalistische Betrachtung vorn anstellen und die politische Deutungsmacht bei OrdnungspolitikerInnen belassen, die eine Aufrüstung ihrer Behörden vorbereiten. AntifaschistInnen können dem eine eigene Öffentlichkeitsarbeit entgegensetzen – nicht, um sich als “alternativer Verfassungsschutz” zu inszenieren, sondern um Diskussionsfelder zu erschließen. Überzogene Konspirativität, oft mit Autonomie verwechselt, schadet diesem Anliegen. Ihm nützt offene, öffentliche und veröffentlichte Kritik an staatlichem Handeln und faschistischen Tendenzen.

2. Die tödliche Dimension rechter Tendenzen blamiert jeden Versuch, sich distinktiv zu inszenieren und damit ins Sektenwesen abzurutschen. Dass Selbstdarstellerei politische Aktivität ersetzt, zeigen innerlinke Flügelkämpfe und die Frage, wie mit Strömungen umzugehen sei, die nicht alle linken “Essentials” teilen. Wir wollen keine Einheitsfront; aber die Grenzen der Bündnisarbeit sollten nicht von der Erfüllung utopischer Wunschlisten oder der heimlichen Verachtung der Masse abhängen, sondern von politischen Standpunkten, etwa der Kritik an Extremismuskonzept und -klausel.

3. Antifaschistische Arbeit sollte auf inhaltliche Kontinuität ausgerichtet sein, inklusive sozialkritischer Kante. Sie ergibt sich aus dem Gegenstand des Antifaschismus und aus dem Widerspruch, in den er verstrickt ist: Wir treten an gegen reaktionäre Tendenzen in einer reaktionären Gesellschaft und gehen alltäglich gegen rechte Strukturen vor, die im selben Alltag aufs Neue hervorgebracht werden. Trotzdem geht es nicht darum, die Grundgesetz-Ideale gegen ihre realen Institutionen zu verteidigen, sondern Menschen in Schutz zu nehmen, die trotz dieser Ideale von Ausgrenzung und Unterdrückung betroffen sind – und jene, die im Namen derselben demokratischen Ideale repressiv davon abgehalten werden, der deutschen Normalität linke Alternativen entgegenzusetzen.

Ohne antifaschistische Organisierung ist diese Alternative unmöglich.

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