André und Maik Eminger: Das Helfer-Duo des Terror-Trios


Neben Beate Zschäpe galt André Eminger lange als wichtigster Beschuldigter bei den Ermittlungen zum “Nationalsozialistischen Untergrund” (NSU), die Presse hat ihn als “vierten Mann” tituliert. Die Beweislage gegen den Zwickauer ist ungleich komplizierter, zwischenzeitlich wurde er wieder aus der Untersuchungshaft entlassen. Sicher ist dagegen: Die Zwillingsbrüder Maik und André Eminger sind stärker mit der gewaltbereiten Neonaziszene verstrickt, als es bisher den Anschein machte.

Ein Gastbeitrag von Carina Boos.

Am 24. November klickten im brandenburgischen Grabow die Handschellen bei André Eminger. Der Vorwurf: Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, Hilfe für den NSU. Eine Spezialeinheit war für den Zugriff auf dem Gehöft seines Zwillingsbruders Maik mit dem Hubschrauber eingeflogen worden und brachte André in Untersuchungshaft.

Fast 4000 Euro Bargeld, das keinem der 32-jährigen Brüder gehören wollte, wurde bei der Vor-Ort-Durchsuchung gefunden.

Womöglich gehörte es dem Beschuldigten, und womöglich gab es bei ihm Fluchtgedanken. Dass sie vielleicht sehr nahe lagen, zeigte kurz darauf der Eminger-Jugendfreund und Neonazi Matthias “Dien” Dienelt. Neben den Eminger-Brüdern war er bis 2001 einer der Organisatoren der Kameradschaft “Weiße Bruderschaft Erzgebirge” (WBE) und, wie man heute weiß, selbst ein NSU-Unterstützer. Dienelt taucht als Mieter für NSU-Wohnungen auf, und Beate Zschäpe lieh sich bis zuletzt seinen Nachnamen. Als die Polizei am 11. Dezember ins Erzgebirge ausrückte, um den Aliasgeber zu verhaften, versuchte er zu fliehen und wurde rabiat überwältigt.

Bei André Eminger ging es behutsamer zu, denn er hatte seine zwei Kinder dabei. Erst kurz zuvor war er, aufgeschreckt durch eine intensive Berichterstattung, mit ihnen in das Auto seiner Frau gestiegen und Richtung Brandenburg zu seinem Bruder gefahren. Susann Eminger blieb derweil in der Wohnung in der Zwickauer Adam-Ries-Straße zurück. Zeitgleich mit der Verhaftung ihres Mannes durchkämmten Beamte aber auch diese Adresse.

Dort fanden sie lange vor Sonnenaufgang, noch schlafend neben Susann Eminger, unerwartet einen guten Bekannten der Familie: Patrick Götze. Er wohnt auch in Zwickau, wird aber der Neonazi-Kameradschaft “Nationale Sozialisten Chemnitz” (NSC) zugerechnet. Gemeinsam mit dem NSC-Aktivisten Eric Fröhlich kümmert er sich kameradschaftlich um die Eminger-Familie – jetzt, da alles aufgeflogen ist.

Sprengstoff aus Chemnitz

So viel ist sicher: André und Susann Eminger stellten dem NSU Personaldokumente zur Verfügung, sorgten sich um Mietverträge für Wohnungen und Wohnmobile, unternahmen gemeinsame Ausflüge. Beate Zschäpe durfte auf die Kinder der Emingers aufpassen. Die gegenseitigen Besuche fanden wahrscheinlich sehr häufig statt.

So häufig, dass man vieles teilte, von der Ideologie bis zum Computer. Im Schutt des NSU-Unterschlupfs in der Zwickauer Frühlingsstraße lag auch eine Festplatte, auf der zahlreiche private Daten von André Eminger gespeichert waren. Am 4. November 2011, nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt, hatte Zschäpe in der Frühlingsstraße eine Explosion verursacht. Gleich darauf versuchte sie, ihren zuverlässigsten Helfer zu erreichen: André Eminger. Der Handykontakt und auffällige Spuren haben ihn verraten, in den Trümmern blieben ein lädiertes Flugblatt, eine Visitenkarte und eine DVD-Hülle von Emingers glückloser Medienfirma “Aemedig” zurück.

Seit spätestens 2003 – wahrscheinlich aber eher – gewährte André Eminger dem NSU seine Unterstützung.

Darauf hätte man nach GAMMA-Informationen viel früher stoßen können, und zwar durch einen weiteren, seit langem behördenbekannten NSU-Unterstützer: Thomas Starke. Als die Polizei im November 2000 die Wohnung des früheren Aktivisten des verbotenen “Blood & Honour”-Netzwerks durchsucht, findet sie ein kleines Notizbüchlein. Darin eingetragen: Namen und Kontaktdaten der NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, ferner einiger aktiver Helfer der Untergetauchten wie Max-Florian Burkhardt, Mandy Struck und Jan Werner, die sich damals in Chennitz aufhielten. Und natürlich, nicht weit entfernt in Zwickau, André Eminger.

Hätte man damals Eins und Eins zusammengezählt, wäre die NSU-Zelle vielleicht aufgeflogen. Damals nämlich waren Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos gerade von Chemnitz nach Zwickau gezogen. Mit dem Eintrag “Eminger” wies Starke unfreiwillig, aber eben auch folgenlos, in die richtige Richtung.

Wäre man dieser Spur nachgegangen, so wäre vielleicht auch Starkes politische Laufbahn ausgeleuchtet worden. Heute weiß man sicher, dass Starke die NSUler schon in ihrer Zeit beim “Thüringer Heimatschutz” kannte. Zudem deuten Berichte darauf hin, dass der Ex-Chemnitzer, der heute in Dresden lebt, für das Trio jenen 1,4 Kilogramm schweren Vorrat an TNT-Sprengstoff besorgt haben könnte, der am 26. Januar 1998 in einer Garage in Jena gefunden wurde. Das war der Tag, an dem Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos abgetaucht und nach Chemnitz geflüchtet sind. Starke wird sie mit offenen Armen empfangen haben, kurzzeitig soll er sogar mit Zschäpe liiert gewesen sein.

Derweil suchte Starkes Kompagnon Jan Werner – wenige Jahre später belasteten sie sich in Polizeivernehmungen wegen ihrer Rechtsrock-Geschäfte gegenseitig – nach Waffen für die terroristischen Gäste. Werner stand 1998 an der Spitze der sächsischen “Blood & Honour”-Sektion und führte mit “Movement Records” und Starke als rechter Hand ein angesagtes Szene-Musik-Label. Daher kannten sich Werner und die Eminger-Brüder ziemlich sicher. Im August 2001 waren sie gemeinsam zu Gast bei einem konspirativ vorbereiteten Skinhead-Treffen nahe Wilsdruff, das von “Movement Records” ausgerichtet wurde.

Jan Werner hatte dazu eingeladen. Ganz offensichtlich lebten hier die alten “Blood & Honour”-Strukturen auch nach ihrem Verbot fort.

Militante Clique

Zur selben Zeit waren André und Maik Eminger bei der “Weißen Bruderschaft Erzgebirge” (WBE) aktiv, einer Gruppe ganz nach dem Zuschnitt der “Blood & Honour”-Ideen vom “Rassenkampf”. Die sächsische “Blood & Honour”-Sektion hatte sich im Herbst 1998 aufgelöst, ein Grund waren bundesweit gefochtene Verteilungskämpfe um die Gewinne aus dem Rechtsrock-Geschäft. Nach GAMMA-Informationen gab es einen weiteren, politischen Grund für den sächsischen Sonderweg: Die tonangebenden Kader hatten sich darauf verständigt, statt auf das “Blood & Honour”-Label künftig auf kleine, schwerer greifbare Kameradschaften zu setzen. Die “Weiße Bruderschaft” war genau das.

André Emingers ganzer Körper spiegelt diese Ideologie bis heute: Hakenkreuze prangen auf der Schulter. “Die, Jew, Die” steht unter zwei Pistolen auf dem Bauch, und auf den linken Arm ließ er sich einen Wehrmachts-Landser stechen. Darunter der Schriftzug “Weiße Bruderschaft Erzgebirge”.

Der WBE gehörte damals auch ein guter Bekannter der Zwillinge an, der NSU-Helfer Matthias Dienelt. Sie kannten sich seit Jahren, verbunden duch eine eigentümliche Karriere: In den 1990er Jahren traf sich die örtliche rechte Szene in einem Garagenkomplex in Johanngeorgenstadt. Die Location gab der Clique ihren Namen: “Brigade Ost”. So steht es dort in gebrochener Schrift auf einem großen Wandbild. Neben den Emingers und Dienelt verkehrten dort mit Mandy Struck und Frank Seifert mutmaßlich weitere spätere NSU-Helfer.

Gegen Dienelt und Seifert war schon Mitte der 1990er Jahre wegen Brandstiftung ermittelt worden, in den Folgejahren fuchtelte ihre Clique mit Schreckschusswaffen herum. Ein Mal zogen die “Brigade Ost”-Skinheads sogar in “Ku Klux Klan”-Verkleidung durch das Dorf und entzündeten ein Holzkreuz.

Zum Einzugsgebiet dieser Clique gehörten über das Erzgebirge hinaus auch Chemnitz und Zwickau. Und zeitweise Bayern, wo Mandy Struck eine Wohnung hatte. Bayrischen Behörden muss das bekannt gewesen sein: Der Name Struck – auch ein Alias der Beate Zschäpe – stand auf einer Ermittlungs-Liste mit fast 700 Neonazis aus oder mit Beziehungen in die Region Nürnberg. Fünf Mal mordete der NSU in Bayern, davon drei Mal in Nürnberg, und ganz folgerichtig war ein “Ankerpunkt” in der Region vermutet worden.

Sachlich ausgewertet wurde die Liste aber offenbar nicht. Man wäre dann nicht nur auf Mandy Struck gestoßen, sondern auch auf ihre Bekanntschaft mit dem Nürnberger Neonazi-Kader Matthias Fischer. Damals war Fischer bei der “Fränkischen Aktionsfront” (FAF) aktiv. Wie GAMMA bereits berichtete, stand sein Name auch auf einer Adressliste des Uwe Mundlos, die 1998 sichergestellt worden war. Fischer ist heute Anführer des militanten Kameradschafts-Verbandes “Freies Netz Süd”.

“Rassenkunde” mit Buffet

Zur Eminger-Clique stieß spätestens im Jahr 2000 auch der spätere NSC-Aktivist Eric Fröhlich aus Chemnitz. Er ist ein Bekannter des Jenaer NSU-Waffenlieferanten Ralf Wohlleben. Ehemalige “Blood & Honour”-Aktivisten aus der eigenen Stadt, etwa besagten Thomas Starke, kennt Fröhlich sehr gut.

Das Verhältnis zwischen Maik Eminger und Eric Fröhlich wurde zumindest so eng, dass Eminger 2006 und 2007 selbst als NSC-Mitglied aufgetreten ist. Parallel stieß sein Bruder André zur “Kameradschaft Zwickau”, die durch Thomas Gerlach und weitere Thüringer Gefolgsleute tatkräftig unterstützt und als “Nationale Sozialisten Zwickau” bekannt wurde.

Auch Tony Gerber fand dort eine politische Heimat. Zuvor wollten die Emingers mit ihm, zwei ehemaligen WBE-Gefolgsleuten und einem Aktivisten des “Schutzbund Deutschland” in Zwickau eine “saubere Kameradschaft” aufbauen. Eine weitere eingeschworene, von außen nicht erkennbare Zelle.

Das Projekt scheiterte zwar. Aber es entstand etwas Größeres, als sich “NSC” hier und “NS Zwickau” dort bald dem “Freien Netz” unter den Hammerskins Thomas Gerlach aus Altenburg (ehemals “Thüringer Heimatschutz”) und Maik Scheffler aus Delitzsch (heute stellvertretender NPD-Landeschef) anschlossen. Ins “Freie Netz” war, bis zu dessen Verhaftung, auch Ralf Wohlleben eingebunden.

Für dieses Spektrum, insbesondere aber für sächsische Neonazis, blieb Maik Eminger auch nach seinem Wegzug gen Brandenburg eine Integrativfigur. Er und André schlossen und hielten Freundschaften unter anderem zu Leipziger Neonazis um dem späteren JN-Landeschef Tommy Naumann. 2006 nannte sich dessen Truppe aus der Messestadt noch “Freie Kräfte Leipzig”; zu der Zeit beschickten sie André Eminger mit Propagandamaterial.

Und hin und wieder setzten die Emingers gemeinsam braune Duftmarken in Sachsen. Als sich Maik Eminger in Brandenburg dem “Schutzbund Deutschland” anschloss und nach dem Verbot 2007 die Nachfolgegruppierung “Bewegung Neues Deutschland” anleitete, verteilte sein Bruder das rassistische Propagandamaterial in Zwickau. 2005 soll in Zwickau-Marienthal gar eine geheime Saalveranstaltung des “Schutzbundes” stattgefunden haben – Thema: “Rassenkunde”. Schauplatz war eine Kantine in einem Industriegebiet, der Referent soll aus dem NPD-Spektrum stammen. André Eminger soll für das Catering gesorgt haben.

Knoten eines bundesweiten Netzwerks

Die Brüder waren unzertrennlich, wenn es um Politik ging. In den Jahren 2003 und 2004 besuchten sie – gemeinsam mit ihren heutigen Ehefrauen – im thüringischen Ilfeld desöfteren Veranstaltungen der ultra-völkischen “Artgemeinschaft”. Sie wurde bis zu dessen Tod 2009 durch den NPD-Anwalt Jürgen Rieger geleitet und war nach Recherchen des “Blick nach Rechts” Auffangbecken für weitere militante Neonazis.

In genau dieser Hinsicht hat sich Maik Eminger besonders ins Zeug gelegt. Im Dezember 2001 besuchte er beispielsweise die Weihnachtsfeier der “Kameradschaft Northeim”, einem organisatorischen Knotenpunkt im “Blood & Honour”-Netzwerk, an dessen Spitze der Kader-Kameradschafter Thorsten Heise steht. Ralf Wohlleben hatte Heise in den Jahren 1999 und 2000 mehrfach angesprochen, um für die untergetauchten Jenaer Neonazis Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt einen Fluchtweg ins Ausland zu finden. Der Rechtsrock-Händler hatte wohl die nötigen Kontakte dafür.

Und im Zweifelsfall auch das nötige Geld, denn das Musikgeschäft florierte, erst Recht, als nach dem “Blood & Honour”-Verbot 2000 der Markt neu aufgeteilt wurde. An dem hatte ab diesem Jahr auch Maik Eminger Anteil, indem er selbst rechte Konzerte organisierte. Heute gibt es immerhin Indizien, nach denen bei solchen Musik-Events “Spenden” für die Untergetauchten gesammelt worden sein könnten. Sein Engagement in diesem Bereich bringt Maik Eminger dann spätestens 2003 in den Fokus sachsen-anhaltischer Behörden, die wegen illegaler Nachfolgestrukturen des “Blood & Honour”-Netzwerks auch gegen ihn ermittelt haben.

Zu der Zeit – Ende 2002 bis Ende 2005 – war Maik Eminger bereits nach Niedersachsen gezogen, ins Örtchen Groß Düngen, das direkt an Hildesheim grenzt. In Hildesheim machte Eminger sogleich Bekanntschaft mit Hannes Knoch. Dieser kommt ebenfalls aus dem “Blood & Honour”-Umfeld. Er ist, wie Maik Eminger, Tättowierer und außerdem als Anbieter von Wehrsport-Trainings aufgefallen. Nach Recherchen von “Frontal 21” waren Maik und André Eminger noch im August 2011 zu Besuch bei Knoch.

Dahinter steht mehr als eine private Bekanntschaft. Im November 2004 etwa nahmen Knoch und Maik Eminger an einer rechten Kranzniederlegung Gronau bei Hildesheim teil. Im Anschluss fuhren die etwa 40 Kameraden weiter zu einer Saalveranstaltung in Springe bei Hannover. Dort hatte Knoch eine Gaststätte angemietet. Sie liegt in unmittelbarer Nähe von Lauenau, dem Wohnort des Jenaer NSU-Unterstützers Holger Gerlach.

Das sind auffällige Beziehungen, aber tatsächlich ist es bisher nicht gelungen, Maik Eminger in direkte Verbindung zum NSU zu bringen.

Angenommen, er kannte die Rechtsterroristen nicht: Dann kannten sie trotzdem ihn. Auf der Festplatte im Schutt der Frühlingsstraße, dem ehemaligen Zwickauer NSU-Quartier, waren nicht nur Daten des André Eminger gespeichert, sondern auch seines Zwillingsbruders. Rekonstruiert werden konnte ein Ordner mit Privataufnahmen, die Maik Eminger 2005 bei einer Reise nach Schweden zeigen. Er hat dort mutmaßlich an einem Neonazi-Aufmarsch in Salem, dem so genannten Wretström-Trauermarsch, teilgenommen. Für Deutsche war dieser jährliche Event auch deshalb ein Magnet, weil Skandinavien noch immer als Residuum der “Blood & Honour”-Bewegung gilt.

Einschlägige Fundstücke

Freilich hat André Eminger auf all das eine prinziell abweichende Perspektive: 2001 sei er endgültig “ausgestiegen” und habe seitdem nichts mehr mit der Neonazi-Szene zu tun gehabt, behauptete er vor seiner Verhaftung. NSU? Nie gehört. Ein ganz anderes Bild zeichnen dagegen die Fundstücke in der Wohnung von André und Susann Eminger: Unter den Asservaten ist beispielsweise ein Briefumschlag des rechten Publizisten und Verlegers Peter Dehoust.

Auf einem ehemaligen Dehoust-Grundstück im bayrischen Coburg sollen thüringische Neonazis 1997 – laut Taz-Recherchen befand sich auch Uwe Böhnhardt darunter – Schießtrainings erhalten haben. Außerdem war der V-Mann Tino Brandt, Kopf des Thüringer Heimatschutzes, Angestellter in Dehousts Verlag. Nach dem Untertauchen des Jenaer Trios versuchte der Jenaer Neonazi-Kader André Kapke, über Brandt an einen Kredit bei Dehoust zu kommen. Mit dem Geld sollten die flüchtigen Kameraden unterstützt werden.

Ob dazu auch die Spendendose diente, die in der Wohnung von André und Susann Eminger gefunden wurde? Sie stand im Schlafzimmer, versehen mit der Aufschrift “Nationale Sozialisten Zwickau” und “spendet für Propaganda und Schulung”. Beschlagnahmt wurde ferner eine Autogrammkarte von “Cindy aus Marzahn”. So eine wurde auch in der Frühlingsstraße gefunden. Einige Habseligkeiten der Emingers, darunter ein Portemonnaie und weitere Wertsachen, blieben der Polizei aber zunächst verborgen. Ein Freund der Familie – man will sich in der Black-Metal-Szene kennengelernt haben – hatte die Sachen verwahrt. Am 19. Dezember 2011 gab es deswegen auch bei ihm, dem Zwickauer Torsten S., eine Hausdurchsuchung. Er gilt bisher nur als Zeuge, nicht als Verdächtiger.

In André Emingers Umfeld gibt es ohnehin viel einschlägigeres Personal. Im Juni vergangenen Jahres war er beispielsweise mit Jens Thamm aus Werdau auf Montage in Rheinland-Pfalz. In der Nacht aber schwangen die Zimmerleute die Fäuste bei einem Volksfest in Kerzenheim und lieferten sich mit weiteren Personen eine Schlägerei. Emingers Kollege Thamm hat einiges auf dem Kerbholz: Im Juni 2003 schleuderte er zwei Brandsätze auf ein AsylbewerberInnenheim. Vor Gericht galt das später nicht als Mordversuch, sondern nur als Brandstiftung. Zum Tatzeitpunkt waren fast 130 Menschen in dem Haus.

NSU-Helfer auf freiem Fuß

Es ist nicht so, dass man von den politischen Ambitionen der Emingers überrascht sein müsste. Auch Behörden werden nicht behaupten können, von all dem nichts geahnt zu haben. Wahrscheinlich blieb sogar nur das Wenigste von all dem unbeachtet: Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz hatte immerhin so viel Ahnung, den NSU-Aliasgeber André Eminger 2003 mehrfach gezielt anzusprechen, um ihn als V-Mann zu werben. Das gelang scheinbar so wenig wie bei anderen NSU-Unterstützern, die ebenfalls im Fokus standen. So jedenfalls steht es laut Presseberichten in denjenigen Geheimakten, die nicht verschwunden sind oder geschreddert wurden.

Seit 14. Juni ist André Eminger wieder auf freiem Fuß, vielleicht dauerhaft. Der Vorwurf nämlich, dass er das NSU-Bekennervideo produziert habe, ist juristisch nicht wasserdicht, und das Aushändigen von Personaldokumenten nicht hinreichend für eine Fortsetzung der Untersuchungshaft. Das “Drehbuch” zum zynischen “Paulchen Panther”-Film geht nach bekannter Beweislage zwar definitiv auf Mundlos und Böhnhardt zurück. Aber wer ihnen bei der Umsetzung geholfen haben könnte, lässt sich derzeit nicht zweifelsfrei feststellen. Auch die Rohdaten der Schnittsoftware wurden offenbar noch immer nicht gefunden.

Ob sich Unterstützung-Vorwurf gegen Eminger dann aber noch juristisch halten lässt, wird davon abhängen, ob gegen die Hauptverdächtige Beate Zschäpe wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (Paragraph 129a StGB) verhandelt werden wird, ihr also die NSU-Taten in Rechnung gestellt werden – oder nur die schwere Brandstiftung in ihrem Zwickauer Wohnhaus in der Frühlingsstraße. Auf den zweiten Vorwurf, der sich vermutlich leichter belegen lässt, steht zwar eine höhere Strafe.

Aber ohne Zschäpe gibt es auch keine terroristische Vereinigung und juristisch gesehen auch keine Unterstützer, weil zu der Vereinigung mindestens drei Personen gehören müssen. Selbst dann stünde noch auf einem anderen Blatt, was André Eminger überhaupt blühen würde, oder ob sein Tatbeitrag nicht durch die Untersuchungshaft als abgegolten angesehen wird. Allein der Prozess gegen Zschäpe könnte Jahre dauern, und die Frage der Verjährung könnte darin und in weiteren Verfahren eine entscheidende Rolle spielen. Den NSU-Mördern und ihren Helfern winkt eine kalte Amnestie. Schlimmstenfalls kommt es so, dass Neonazi-Mörder von Rechts wegen für ihre Taten Strafrabatt erhalten.

Noch in diesem Herbst will die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Zschäpe erheben. Doch es steht nicht einmal fest, ob alle wesentlichen Unterstützer des Trios schon ermittelt werden konnten. Einige Ausweisdokumente von Helfern, die einst vorgelegen haben müssen, wurden noch nicht aufgefunden. Man kann das so interpretieren, dass nach so langer Zeit viele Beweismittel entsorgt werden konnten. Aber auch so, dass noch nicht alle Verstecke entdeckt sind.


Dieser Artikel unserer Gastautorin entspricht nicht zwingend der Meinung der Redaktion.

Über militante Neonazi-Netzwerke berichtete die GAMMA-Redaktion zuletzt in Ausgabe 193. Darin geht es auch um die exponierte Rolle Maik Emingers in der Neonazi-Szene: Konspirative Kameraden. Der “NSU” und seine Helfer

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