“Blood Axis” spielt in der Leipziger Theaterfabrik: “Im Geist völkischer Denker”

Wir dokumentieren ein Interview mit Martin Langenbach (bekannt unter seinem Pseudonym Christian Dornbusch) aus der Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom 12. August.

Soziologe Martin Langebach über das Konzert der umstrittenen Neofolk-Band Blood Axis in der Theaterfabrik

Das Kruckenkreuz erinnert ans Hakenkreuz. Es war in den 30er Jahren ein Erkennungszeichen österreichischer Nationalisten und ist heute das Logo der US-Band Blood Axis, die am 20. August in der Theaterfabrik spielt. Deren Musik klingt aber wie harmloser Irish Folk. Mathias Wöbking hat den Soziologen Martin Langebach über politische und ideologische Hintergründe einer merkwürdigen Gruppe befragt.


Warum ist es so schwer, die politische Haltung der Band Blood Axis eindeutig zu benennen?

Martin Langebach: Weil unsere Kategorien zu eindimensional sind. Die Frage lautet meistens schlicht: Ist Bandchef Michael Moynihan ein Neonazi oder nicht? Aber das politische Spektrum kennt Abstufungen. Moynihan gehört keiner rechtsextremen Partei an, doch lässt sich meines Erachtens sehr wohl sagen, dass er ein Rechtsradikaler ist. Der philosophische Überbau für seine Arbeit als Musiker und Herausgeber wie Verleger basiert auch auf weit rechts stehenden Denkern, solchen, die Inspiration der Neuen Rechten sind.


Woran ist das zu erkennen?

Es ist auf den ersten Blick nicht leicht. Auf der Facebook-Seite von Blood Axis kann man drei Youtube-Videos von einem Auftritt im April in Rom anschauen. Man hat da den Eindruck, einfach auf einem Irish-Folk-Konzert zu sein. Drei Musiker, einer sitzt und singt, dazu folkloristische Klänge. Es könnte auch in der Leipziger Theaterfabrik manchem Kurzentschlossenen, der die Band bislang nicht kannte, so ergehen, dass er sich zwar über ein paar komische Besucher wundert, weil sie Uniformen tragen. Dass er das Ganze aber ansonsten für ein nettes Folk-Konzert hält. Wer sich hingegen mit Theorien der Neuen Rechten und mit Blood Axis auskennt, wird auch weniger nette Dinge in Musik und Auftreten entdecken.

Worin liegt also der Unterschied zu den Dubliners?

Darin, welches Verständnis man jeweils davon hat, Kultur zu machen. Michael Moynihan ist einer politischen Strömung namens Integraler Traditionalismus zuzuordnen. Es ist ein philosophisches Konzept, das auf den Franzosen René Guénon zurückgeht und das von dem Italiener Julius Evola modifiziert wurde. Der Integrale Traditionalismus lehnt die aufgeklärte Moderne ab. Michael Moynihan ist Heide, praktizierender Odinist. Er plädiert dafür, die bisherige Vorstellung von Menschlichkeit neu zu überdenken. Er ist zudem nicht nur Musiker, sondern auch Journalist und Autor. Er gibt die Zeitschrift Tyr heraus, in der etwa Alain de Benoist, Vordenker der französischen Neuen Rechten und wie Moynihan Heide, über Götter schreibt. Auch ein Aufsatz Julius Evolas findet sich in Tyr. Evola ist längst tot, er hatte den Aufstieg des italienischen Faschismus philosophisch begleitet, sich dann aber davon distanziert, weil der Faschismus ihm zu positiv auf die Masse setzte. Integrale Traditionalisten sehen eher die Elite in der Pflicht.

Inwiefern greift die Musik von Blood Axis diese esoterisch-philosophisch-politischen Ideen auf?

In der Neuen Rechten existiert das Konzept der Metapolitik als Überbau konkreter politischer Ziele. Moynihan versucht, metapolitische Vorstellungen über Musik zu vermitteln und attraktiv zu machen. Als Kunstform soll Blood Axis einen Geist erwecken, der auf Basis völkischer und faschistischer respektive nationalsozialistischer Denker die Zukunft gestaltet.


Wie wichtig ist die Band in der Neofolk-Szene?

Sie ist eine Legende – und das, obwohl sie musikalisch relativ wenig veröffentlicht hat. Der Status in der Szene hängt zum einen damit zusammen, dass Moynihan vor Blood Axis schon an anderen Projekten beteiligt war, etwa an einer vielbeachteten NON-Inszenierung mit Boyd Rice 1989 in Japan. Die Performance war sehr hart, symbolisch offen und wurde zum Teil als Tabubruch wahrgenommen und goutiert. Dadurch ist Moynihan bekannt geworden. Später hat nicht nur der eklektische Musikstil Blood Axis Aufmerksamkeit beschert, sondern auch die militaristische Aufmachung der Tonträger.

Ian Curtis trat seinerzeit sogar in SS-Uniform auf und verwirrte damit das Publikum. Heute ist er eine unumstrittene Indie- wie Darkwave-Ikone. Worin unterschied sich die Form, in der sich Joy Division solcher Nazi-Symbole bedienten, von Blood Axis?

Auf der ersten Joy-Division-Platte von 1978 ist ein stilisierter HJ-Junge abgebildet. Man fragt sich zuerst, was ist denn das für eine Ästhetik? Aber die Rückseite zeigt einen Jungen mit erhobenen Armen, ein Foto aus dem Warschauer Ghetto. Da wird die Ambivalenz deutlich. Die Rückseite des Blood-Axis-Albums “Gospels of Inhumanity”, Choräle der Unmenschlichkeit, von 1995 besteht hingegen aus einem Bild, auf dem österreichische Nationalisten mit Kruckenkreuz-Fahnen durch die Straßen ziehen. Das Kruckenkreuz haben Blood Axis zu ihrem Bandlogo gemacht. Und das ohne jeden Bruch, da ist nichts, wo man sagen könnte, ach, da setzen sie sich kritisch auseinander.

Die übliche Ausrede lautet, dass ein Emblem wie das Kruckenkreuz schon Jahrtausende vor den Austrofaschisten entstanden sei.

Die Ausrede ist völliger Schwachsinn. Es waren erst Blood Axis, die dieses Symbol in die Grufti-Szene eingeführt haben. Und zwar von Anfang an explizit mit dem Verweis auf die österreichischen Nationalisten. Auf Lanz von Liebenfels, der als Mann gilt, der Hitler die Ideen gab.


Auch auf dem Wave-Gotik-Treffen ist eine gängige Rechtfertigung für das Tragen zweifelhafter Symbole, dass sie schon vor den Nazis existierten. Kann ein Zeichen aber nicht auch seine Unschuld verlieren?

Um ein krasses Beispiel zu nennen: Mag sein, dass das Hakenkreuz einst für die Sonne stand. Die dominante Bedeutung ist hierzulande aber, dass es für die nationalsozialistische Partei steht. Und wenn die Öffentlichkeit genau das damit assoziiert, dann dürfen sich Leute, die sich damit schmücken, nicht beschweren, wenn sie als Nazis angesehen werden. Sie tragen das Zeichen schließlich, um etwas nach außen zu symbolisieren. Genauso wenig wie mit dem Hakenkreuz kann man mit dem Kruckenkreuz herumrennen und sagen, es hatte vor tausenden Jahren eine andere Bedeutung. Blood Axis haben es nunmal mit dem Bild österreichischer Nationalisten in die Szene eingeführt.


Was erwarten Sie für ein Publikum in der Theaterfabrik?

Ein klassisches Neofolk-Publikum im Military-Look. Es ist das einzige Konzert in Deutschland. Die Leute aus Nordrhein-Westfalen fahren wohl eher nach Belgien, alle anderen kommen nach Leipzig. Auch ganz normale Gruftis werden sich darunter mischen. Und dann noch ein paar von der NPD – so wie auf dem Wave-Gotik-Treffen seit Jahren auch, da muss man sich nichts vormachen. Die NPD weiß um diesen Überbau des Integralen Traditionalismus und sucht Anknüpfungspunkte.


Halten Sie es für Zufall, dass die NPD am Konzerttag eine Kundgebung am Völkerschlachtdenkmal angemeldet hat?

Da würde ich schon deutlich trennen. Denn das Gros der Leute dort wird durch die Musik bedient, die es auf dem Aufmarsch zu hören bekommt. Ein paar wenige Ausnahmen sind die Macher der NPD-nahen Zeitung “Hier und jetzt” aus Sachsen, die in den vergangenen Jahren auch immer Veröffentlichungen aus dem Neofolk-Spektrum rezensiert hat. Deren Chefredakteur Arne Schimmer, NPD-Landtagsabgeordneter, war dieses Jahr auch mit Kameraden auf dem Wave-Gotik-Treffen.

Rechtsradikaler oder Hippie? Eine Leipziger Kontroverse

Das Aktionsnetzwerk “Leipzig nimmt Platz” hat die Theaterfabrik im Juni in einem nicht öffentlichen Brief gebeten, “die Ausrichtung des Konzertes von Blood Axis zu überdenken”. Das Schreiben zitiert Michael Moynihan unter anderem mit der Aussage, dass ihn an Geschichtsrevisionisten, also Holocaust-Leugnern, in erster Linie störe, “dass sie von der Annahme ausgehen, das Töten Millionen unschuldiger Menschen sei als solches ‘böse'”. Nachdem die Leipziger Internet-Zeitung über den Brief berichtet hatte, entbrannte auf deren Online-Seiten eine Kontroverse.

Der Kulturwissenschaftler Alexander Nym nahm Blood Axis als “Hippies” in Schutz, “die Folkmusik machen”. Moynihan habe lediglich Anfang bis Mitte der 90er eine “rechte Phase” durchlebt. Sich selbst bezeichnet Nym der Internet-Zeitung zufolge als “altlinke Zecke”. In dem von ihm herausgegebenen und im Leipziger Plöttner-Verlag erschienenen Band “Schillerndes Dunkel” ist Moynihan mit einem Aufsatz über den Soundtrack zum Film “Lucifer Rising” vertreten.


Im Gegensatz zu Nym charakterisierte die Leipziger Linken-Stadträtin Juliane Nagel Moynihan daraufhin als “Überzeugungstäter”, dessen “rechte Phase offensichtlich nicht” vorbei sei. Bis in die Gegenwart veröffentliche er ohne Distanzierung Texte von obskuren Okkultisten wie dem SS-Brigadeführer Karl Maria Wiligut und US-Neonazi James Mason. Nun schaltete sich Moynihan selbst ein und beanspruchte als “Künstler, Musiker und Schreiber” wahrgenommen zu werden, nicht als Politiker. In Reaktion auf Nagel nannte er Wiligut “eigenartig” und Masons Ideen “widerlich”. 


In der Theaterfabrik fühlt man sich “zwischen zwei Stühlen”, wie Sprecher Roy Meißner sagt. Es handelt sich um eine Fremdveranstaltung. Bevor die jetzige Debatte begonnen habe, sei man trotz Recherchen nicht auf die Idee gekommen, dass mit Blood Axis etwas nicht in Ordnung sei. Nach wie vor fällt die Musik für Meißner unter die Freiheit der Kunst. Um sicher zu gehen, habe das Haus aber Ordnungsamt und Verfassungsschutz zum Konzert eingeladen. Zudem wolle die Theaterfabrik mit Plakaten deutlich machen, dass Nazis und deren Symbole unerwünscht seien. Meißner fällt von anderer Warte ein vernichtendes Urteil über Blood Axis: “Die Musik”, sagt er, “ist todlangweilig”.

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