NPD im Leipziger Stadtrat: Lügen auf Befehl

Seit 2009 sitzt die NPD mit zwei Abgeordneten im Leipziger Stadtrat und erreicht dort im wesentlichen: nichts. Sämtliche Kandidaturen Rudi Gerhardts und Klaus Ufers für Ausschuss-Posten wurden einhellig abgelehnt; ihre Anfragen werden nicht in den laufenden Sitzungen diskutiert, sondern nur schriftlichen beantwortet; ihre Redebeiträge sind so unsachlich wie obskur – und auf jeden Fall unbedeutend (siehe Jungle-World-Bericht vom 25.03.2010).

Die Bedeutungslosigkeit ist berechtigt, wie einige der etwa 60.000 NPD-E-mails beweisen, die vor einigen Tagen an namhafte Medien “geleakt” wurden. SPIEGEL Online berichtet nun, dass die beiden Leipziger NPD-Abgeordneten laut jener E-mails hinsichtlich ihres Abstimmverhaltens genau instruiert und überwacht worden sind: Zunächst hatten Gerhardt und Ufer Anfang Ende 2010 im Stadtrat für die Abwahl des vom Oberbürgermeister Jung geschassten Kulturdezernenten Michael Faber gestimmt – und damit eine sehr knappe Zwei-Drittel-Mehrheit gegen Faber beschafft.

Dann schaltete sich Hartmut Krien ein, Chef der “Kommunalpolitischen Vereinigung” (KPV) der NPD. Kriens Plan: In der zweiten Abwahl-Runde am 19. Januar 2011 sollten Gerhardt und Ufer – entgegen dem ersten Wahlgang – für den Verbleib Fabers im bisherigen Amt votieren. Krien schreibt dazu in einer E-mail: “Wenn es klappt, daß wir quasi als Bestrafung für unsere Ausgrenzung die Abwahl verhindern, wäre das ein Erfolg, der die bisherigen Nadelstiche weit in den Schatten stellt”

Empfängerin dieser Zeilen ist eine Katrin Köhler, Chemnitzer NPD-Stadträtin und Landesvorsitzende des “Ring Nationaler Frauen” (RNF). Krien hält die Leipziger Abgeordneten für zu begriffsstuzig, sie würden nur “schwerfällig” verstehen. Köhler soll daher im Partei-Auftrag deren Wahlverhaltens beeinflussen und überwachen: “Das Schwierige ist, daß sie anders abstimmen sollen als beim ersten Mal! […] Übermittle bitte den Beiden, daß das eine dringende Weisung ist. Ob man das Wort Befehl verwenden sollte muß Du in der Situation entscheiden.” Weiter berichtet SPON:

Die NPD soll in jedem Fall als Gewinner dastehen. Sollte Kulturdezernent Faber doch abgewählt werden, “müssen sie behaupten sie hätten für die Abwahl also gegen Faber gestimmt”, schreibt Krien. Besser sei es “wenn sie absolut die Klappe halten”. Krien fasst seine Weisung zusammen: “Bei gelungener Abwahl bitte lügen!”

Noch in der ersten Abwahl-Runde hatte die NPD in einer Pressemitteilung geprahlt, ihre Abgeordneten hätten sich als das “Zünglein an der Waage” contra Faber erwiesen. Krien kommentierte damals öffentlich: “Ich kann den Großmäulern der etablierten Parteien nur empfehlen, auf uns zuzukommen und mit uns zu besprechen, wie wir künftig miteinander umgehen werden.”

Gut gebrüllt, nur dass sich die NPD doppelt geirrt hat: Faber wurde schließlich nicht abgewählt, worauf die NPD-Stimmen im zweiten Wahlgang überhaupt keinen Einfluss hatten. Und die einzigen “Nadelstiche” stecken in den 60.000 E-mails, aus denen in ähnlichen Fällen noch viel zu zitieren sein wird…

This entry was posted in Aktuell. Bookmark the permalink. Both comments and trackbacks are currently closed.
  • Buch 2013



    Das neue Recherche-Buch zum NSU ist erschienen: Schreddern, Spitzeln, Staatsversagen – Wie rechter Terror, Behördenkumpanei und Rassismus der Mitte zusammengehen. Inklusive einem Beitrag von Gamma.

    Mehr Infos beim VSA-Verlag…


    GAMMA-Printausgabe
    #194 (März 2013)
    zum Inhalt / Download (PDF)


    aktuelles Interview
    Aufgaben & Perspektiven antifaschistischer Medien. Veröffentlicht in Ausgabe 50 (Winter 2012/13) der Zeitschrift LOTTA: hier zum Nachlesen


    Buch 2012
    “Made in Thüringen? Nazi-Terror und Verfassungsschutz-Skandal". Mit Recherchen von GAMMA u.a.

    Bestellen…