Meldungen: Adrian Preißinger: Rechte Lektüre “made in Leipzig” + Naziangriffe in Geithain, Zwickau und Dresden + Prozessauftakt gegen rechten Brandstifter in Dresden + Buch zu rassistischen Morden in Sachsen + Rechter Schlossherr in Ostrau bei Leipzig + “Körner-Gedenktag” fällt aus + NPD-MV verwendet illegal Fraktionsmittel + Brinkmann zieht sich zurück + Neues vom “Kampf gegen Linksextremismus”
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Adrian Preißinger: Rechte Lektüre “made in Leipzig”
Korrekturlesen für Nazis: Ein kleiner Verlag namens “Libergraphix” vertreibt im Internet antisemitische und geschichtsrivisionische Literatur und bietet Gesinnungsgenossen Hilfe bei Lektorat und Buchgestaltung. Betreiber ist Matthias Beier (geb, 1985), ein regionaler NPD-Funktionär aus Gröditz (Landkreis Meißen). “Libergrafix” – zu erkennen am schwarz-weiß-roten Logo – bekommt auch Unterstützung aus Leipzig: Adrian Preißinger ist für das Lektorat zuständig.
Preißinger, ein gebürtiger Bayer, wohnt bisher unerkannt in der Virchowstraße (Gohlis), ist aber kein Unbekannter: Das ehemalige Mitglied der “Jungen Union” wirkte seit 1990 an mehreren neonazistischen Zeitschriften-Projekten mit, darunter als Autor von “Nation + Europa” (heute: “Zuerst!”), als Chefredakteur der Republikaner-Postille “Credo” und “Schriftleiter” seines eigenen Magazins “Nation”. Nachdem er 1992 wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt wurde, kündigte er die Umsiedlung in ein “verfolgunssicheres Land” an und erbettelte dafür 60.000 D-Mark.
Tatsächlich gründete er 1997 eine Kommunikationsagentur im oberfränkischen Kronach mit einer Niederlassung in der Slowakei. Von dort aus organisierte er schon seit Ende 1994 die Pressung deutscher Rechtsrock-CDs in vornehmlich tschechischen Unternehmen. Insgesamt hat Preißinger laut Gerichtsakten 46.000 teils verbotene Neonazi-CDs produziert, vertrieben und nach Deutschland eingeführt. Das Landgericht Dresden hat ihn dafür und wegen Volksverhetzung, der Verwendung von NS-Symbolen und Gewaltverherrlichung zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe von 230.000 Euro verurteilt.
Nach seiner Haft wurde Preißinger Ende 2006 Mitarbeiter des “Deutsche Stimme”-Verlags in Riesa und war dort zuletzt für das Antiquariatsangebot zuständig. Die eher unauffällige Zweitkarriere bei “Libergraphix” dürfte vorbei sein: Der Verlag tritt als “Sponsor” der Neonazi-Hooligans “Blue Caps LE” auf und wird auch auf deren Website beworben. Preißingers Aufgabe als Lektor ist es nach GAMMA-Informationen unter anderem, die ungelenken Internet-Beiträge der “Blue Caps” der deutschen Sprache anzupassen. – Wir berichten weiter.
Naziangriffe in Sachsen
Geithain: Während des von Manuel Tripp (“Freies Netz Borna/Geithain”) organisierten “Tag der Identität” am 13. August in Geithain haben sieben Nazis zwei AntifaschistInnen u.a. mit Knüppeln angegriffen. Fünf der Angreifer wurden von der Polizei gestellt und kamen in Gewahrsam, zwei konnten fliehen. Auch zwei Leipziger Nazis sollen beteiligt gewesen sein.
Zwickau: Beim Stadtfest in Zwickau haben am Abend des 20. August etwa 40 Nazis eine Gruppe alternativer Jugendlicher angegriffen.
Dresden: Etwa 20 Nazis haben in der Nacht zum 21. August BesucherInnen des Dresdner Stadtfestes angegriffen und zwei junge Frauen verletzt. Die Polizei hat den Vorfall beobachtet, aber keine Personalien aufgenommen. Unter den Angreifern soll sich Willy Kunze befunden haben. Der 24-Jährige Neonazis steht aktuell wegen “Bildung einer kriminellen Vereinigung” vor Gericht.
Prozessauftakt: Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat vor dem Dresdner Landgericht die Hauptverhandlung gegen den 21-jährigen Neonazis Stanley Nähse begonnen. Ihm wird vorgeworfen, in der Nacht zum 24. August 2010 einen Molotow-Cocktail auf ein alternatives Kultur- und Wohnprojekt in der Robert-Matzke-Straße (“RM16”) im Stadtteil Pieschen geworfen zu haben. Nähse gehört zu den “Autonomen Nationalisten Dresden (AN 44)”. Diese Gruppe hatte vor dem Anschlag Aufkleber mit einem Foto der RM16-Fassade und der Aufschrift „Robert-Matzke-Straße angreifen“ verbreitet. Nähse wird versuchter Mord in zehn Fällen in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung vorgeworfen. Er sitzt bereits seit Januar in Untersuchungshaft.
Tödliche Realitäten: Die Beratungsstelle RAA Sachsen e.V. hat zwei Jahre nach dem rassistischen Mord an Marwa El-Sherbini in Dresden einen Sammelband zu rechter Gewalt herausgegeben. Das Buch „Tödliche Realitäten“ erinnert nicht nur an Marwa El-Sherbini, sondern auch an die elf weiteren Todesopfer rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt in Sachsen seit 1990. Das Buch kann kostenlos bestellt oder in den RAA-Geschäftsstellen mitgenommen werden.
Am Rande
Noch ein brauner Schlossherr: Bereits seit 1999 ist das Renaissance-Schloss Noschkowitz und ein zugehöriger Gasthof in Ostrau bei Leipzig im Besitz des österreichischen Nazis Raimund Bachmann. “Blick nach Rechts” berichtet: “Seit 2005 setzt ein eigens gegründeter ‘Förderverein Schloß Noschkowitz’ das Objekt mit Hilfe der sächsischen Denkmalpflege schrittweise instande. Auf dem Anwesen sollen mehrfach Treffen von Alt- und Neonazis, darunter der rassistischen ‘Artgemeinschaft’, stattgefunden haben.” Die Verstrickungen Bachmanns sind seit spätestens 2003 durch lokale Presseberichte bekannt, danach traten zahlreiche Personen aus dem Förderverein aus – trotzdem flossen staatliche Fördermittel. Bachmann ist nicht der einzige Fall: Dem ehemaligen “Wehrsportführer” Karl-Heinz Hoffmann gehört ein Rittergut in Kohren-Sahlis (GAMMA berichtete). Hoffmann erhielt vom Freistaat Sachsen problemlos mehr als 130.000 Euro zur Sanierung.
Ausfall: Der neonazistische “Theodor-Körner-Gedenktag”, der am 1. Oktober “in Mitteldeutschland” – vermutlich dem Gelände des “Deutsche Stimme”-Verlags in Riesa – stattfinden sollte (GAMMA berichtete), wurde abgesagt. Die zugehörige Website ist nicht mehr erreichbar. Laut Organisator Eckart Bräuniger gebe es dafür “verschiedene Gründe”, ins Detail ging er aber nicht. Möglicherweise stieß die Veranstaltung, bei der mehrere Nazis mit Affinität zu Schusswaffen und Bomben auftreten sollten, darunter Karl-Heinz Hoffmann, auf das Missfallen der Mutterpartei NPD. Zudem gibt es neue Ermittlungen gegen einen weiteren angekündigten Gast, Martin Wiese: Dieser hatte in seiner Rede beim “4. nationalen Frankentag” am 13. August JournalistInnen und Linken die “Todesstrafe” durch einen “Volksgerichtshof” angedroht. Wiese war 2003 verhaftet worden, weil er einen Bombenanschlag auf das Jüdische Zentrum in München geplant und Sprengstoff besorgt hatte.
Illegale Finanzierung: Wegen des Verdachts, Staatsgelder für den Wahlkampf missbraucht zu haben, werden rechtliche Schritte gegen die NPD in Mecklenburg-Vorpommern geprüft. Die Parteikassen sind seit dem Frühjahr leer, nachdem sich die NPD erfolglos im sachsen-anhaltischen Wahlkampf verausgabt hatte. Auch dort gab es Indizien, dass Fraktionsmittel unerlaubt in den Wahlkampf gesteckt wurden. In Mecklenburg-Vorpommern ringt die NPD nun um einen Wiedereinzug in den Schweriner Landtag. Laut aktuellen Umfragen wird es bei der Wahl am 4. September knapp, die Partei steht bei 4,5 Prozent.
Einer weniger: Der schwedische Unternehmer Patrik Brinkmann will seine politische Karriere beenden und künftig “nur” noch als Finanzier auftreten. Brinkmann baute ab 2004 enge Beziehungen zur NPD auf, 2007 zog er nach Berlin. Zwei Jahre später trat er der DVU bei, wechselte aber schon 2010 zur “Bürgerbewegung pro Deutschland”, wurde kurzzeitig deren Landesvorsitzender in Berlin und firmierte als “internationaler Sekretär der Pro-Bewegung”.
Klandestiner Treffpunkt: Wie erst kürzlich bekannt wurde, betreibt der “Nationale Widerstand (NW) Berlin” ein bislang klandestines Nazizentrum in der Lückstraße 58 (Berlin-Friedrichsfelde). Das Ladengeschäft wurde von einem Tarnverein namens “Sozial engagiert in Berlin e.V.” angemietet und behielt die Fassade eines zuvor an derselben Adresse ansässigen Gardinengeschäfts.
Aus Österreich: Aufschlussreiches Rechercheblog zu den Hintermännern der Nazi-Website “alpen-donau.info”.
Blüten im Kampf gegen “Linksextremismus”
Verbotene Kritik: Ausführlicher Artikel zu der Frage, wie viel Kritik an der “freiheitlich-demokratischen Grundordnung” (noch) erlaubt ist. Als bereits “verfassungsfeindlich” gilt beispielsweise das berühmte Marx-Zitat, laut dem “alle Verhältnisse umzuwerfen” seien, “in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist”.
Tipps vom VS: In Bayern – wo sonst! – ist ein neues, staatlich finanziertes Internetportal unter dem Motto “Bayern gegen Linksextremismus” gestartet. Als Beispiele für Linksextremismus werden dort u.a. Kreisverbände der Partei Die LINKE, VVN/BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten) und NS-Zeitzeugen genannt. Enthalten sind auch “Tipps für Eltern” wie dieser: “Wenn Ihr Kind aber in Kreise gerät, die unseren Rechtsstaat pauschal als „kapitalistisches Fascho- und Bullensystem“ diffamieren, […] sollten Sie hellhörig werden.” Für Detailfragen gibts eine Hotline der “Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus” (eine Abteilung des Bullensys… Verfassungsschutzes), die für jeden Spaß zu haben ist: 089 / 21922192. Tipp: Nach Marx-Zitaten fragen!
Tipps ohne VS: Unter dem Titel “Bildungsarbeit ohne Geheimdienst” steht ein Aufruf für kritische, freie und qualifizierte politische Bildung als Grundlage demokratischer Kultur und Gesellschaft.