Innenminister Ulbig verharmlost das Nazi-Zentrum in der Odermannstraße [aktualisiert]

Neuer Wirbel um das NPD-Büro in Lindenau: Womöglich wurde bei etlichen Neonazi-Veranstaltungen gegen Nutzungsauflagen des Baurechts verstoßen. Zu diesem Ergebnis kommen zwei aktuelle Artikel der Leipziger Internet-Zeitung (L-IZ):

Zu rechten Veranstaltungen in der Odermannstraße gab es jüngst auch eine Kleine Anfrage im Landtag, die im Auftrag der sächsischen Landesregierung durch Innenminister Markus Ulbig (CDU) beantwortet wurde.

Das Projekt chronik.LE kommt allerdings in einem eben veröffentlichten Dossier zu dem Schluss, diese offizielle Darstellung sei “mit groben Fehlern behaftet und nimmt unzutreffende Bewertungen vor”. Unter anderem hat der Innenminister in seiner Aufstellung mindestens acht Neonazi-Veranstaltungen unterschlagen. Zudem behauptet er, dass mit den Veranstaltungen nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen worden sei. chronik.LE prüft Ulbigs verharmlosende Auskünfte im Detail:


Nachträge: Bericht des NPD-Blogs vom 05.02. und weiterer Artikel der L-IZ vom 06.02. Die LVZ berichtet in ihrer Printausgabe vom 07.02. (nachfolgend dokumentiert)

 

Neue Irritationen um NPD-Zentrum
Linke vermuten Verstöße gegen baurechtliche Auflagen / Innenministerium sieht keinen Anlass zum Einschreiten

Im NPD-Zentrum in der Odermannstraße sind womöglich baurechtliche Vorgaben und Auflagen des Bauordnungsamtes nicht eingehalten worden. Die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Linke) richtete deshalb eine Kleine Anfrage an die Staatsregierung, bekam jedoch nur lückenhafte Auskünfte.

Im Kern geht es darum, ob Veranstaltungen, die in dem Rechtsextremisten-Treff seit dessen Bestehen 2008 stattgefunden haben, erlaubt waren, das NPD-Büro überhaupt als Versammlungsstätte genutzt werden darf. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) stellte auf die Köditz-Anfrage hin fest: “Dem Amt für Bauordnung und Denkmalpflege der Stadt Leipzig waren zu keinem Zeitpunkt Veranstaltungen in dem Objekt Odermannstraße bekannt, bei denen die Bauaufsichtsbehörde hätte tätig werden müssen. Baurechtliche Vorgaben und Auflagen des Bauordnungsamtes wurden nicht erteilt. Anhaltspunkte dafür, dass die Nutzung im vorbezeichneten Objekt gegen Vorschriften verstoßen hat, lagen zu keinem Zeitpunkt vor. Ein bauaufsichtliches Einschreiten war mithin nicht erforderlich.”

Ulbig listete zwölf Veranstaltungen auf, die zwischen November 2008 und November 2010 in der Odermannstraße 8 stattgefunden haben, vom Liederabend bis zum Wahlkampf. “Diese Aufstellung ist unvollständig”, behauptet das linke Dokumentationsprojekt chronik.LE und berichtet von “mindestens acht weiteren relevanten Veranstaltungen”, etwa privaten Geburtstagsfeiern von Neonazis, Treffen der Hooligan-Gruppierung Blue Caps LE und zwei so genannten Soli-Konzerten.

Das Innenministerium hatte allerdings eingeräumt, über weitere Erkenntnisse bezüglich des NPD-Zentrums zu verfügen. Diese würden jedoch der Geheimhaltung unterliegen und seien als Verschlusssache deklariert. “Die Informationen sind durch nachrichtendienstliche Mittel erlangt worden”, so Ulbig in seiner Antwort an die Landtagsabgeordnete. Dies könnte womöglich ein Hinweis auf V-Leute sein, die für den Verfassungsschutz in der rechtsextremen Szene Leipzigs Informationen beschaffen.

Eine Veranstaltung hat jedoch auch das Innenministerium auf der Liste: Die Party anlässlich des zweijährigen Bestehens des “Nationalen Jugendzentrums”, wie es inzwischen heißt, am 13. November vorigen Jahres (die LVZ berichtete). Auch da habe es laut Staatsregierung keine Beanstandungen gegeben.

Das Projekt chronik.LE sieht in dieser Party, bei der angeblich Eintrittsgelder kassiert wurden, einen Beleg dafür, dass in der Odermannstraße “öffentliche Veranstaltungen, denen zudem Gewerbsmäßigkeit und Gewinnerzielungsabsicht unterstellt werden müssen”, stattfinden. Damit, so chronik.LE, wären derartige Veranstaltungen genehmigungspflichtig. F. D.

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